Kaiserin Elisabeth von Österreich
Das poetische Tagebuch
Kaiserin Elisabeth von Österreich

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Anläßlich eines Besuches in Regensburg bei ihrer Schwester Helene Thurn und Taxis erinnerte sich die Kaiserin an die Trauer um den zwei Jahre zuvor nach kurzer Krankheit im Alter von 22 Jahren gestorbenen Fürsten Maximilian. Erzherzogin Marie Valerie bemerkte am 31. August 1888 in ihrem Tagebuch, Maximilian sei »das einzige Kind, das Mama außer mir je gern hatte«. Der zweite Sohn Helenes, Albert (»Manni«, geb. 1867) folgte als Familienchef seinem älteren Bruder nach.

Während Manni sang.

(Fürst Albert Taxis.)

Ich lausche deiner Stimme tiefen Klängen;
Bis immer weher wird mein Herz und wund;
Sie scheinen sich zu einen den Gesängen,
Die ich vernommen einst in schwerer Stund,
Und zeitverblichne Trauerbilder drängen
Sich aus dem Liede, das mir singt dein Mund;
Mein Geist führt mich zurück in die Kapelle,
Die rotkrystallnen Herzen flammen helle.

Wie Schluchzen tönt es und wie leises Weinen
Aus abenddunklem Hintergrund hervor,
Ein Schmerz scheint die Versammelten zu einen,
Ein Flehruf nur hebt heute sich empor,
Und jeder nennt des andern Schmerz heut seinen,
Verwaist wird jeder sein, der ihn verlor. –
Den Todesengel betend zu verscheuchen,
Wie mühen sich die Lippen all, die bleichen!

Dem Priester selbst an des Altares Stufen
Erzitterten die Worte, die er sprach:
»Herz Jesu, höre gnädig unser Rufen!«
Kaum hörbar tönen rings die Worte nach.
Die höhern Mächte, die dies Leid uns schufen,
Sind sie der Stimme unsers Flehens wach?
Wird der schwer Kranke wiederum genesen,
Der seines Hauses Glück und Stolz gewesen?

Hoch über dem Altar, im weissen Kleide,
Steht unser Herr und Heiland Jesu-Christ;
Sein Flammenherz als leuchtendes Geschmeide,
Aus welchem rot des Blutes Blume spriesst,
Er winkt uns mild zu sich sammt unserm Leide,
Dem liebend Er sein göttlich' Herz erschliesst,
Und rings um ihn aus rotkrystallnen Herzen,
Da flackert es, ein Meer von Flammenschmerzen.

Doch schmerzlicher entbrennen jetzt die Flammen
Der Menschenherzen unterm Bilde dort,
Erbleichend flüstert jeder einen Namen,
Beflügelt geht von Mund zu Mund ein Wort;
Noch sprach der Priester nicht sein letztes Amen,
So drängen sie schon durch die Thüre fort;
Tot ist der teure Herr, der Sohn und Bruder;
An seiner Leiche kniet die arme Mutter.

Längst zog der dunkle Abend leis und stille
Ins Zimmer, wo die schwarze Trauer wacht,
Und doch umsteh'n das Totenbett noch viele,
Und immer nahen andre noch ganz sacht.
»Du warst mir Bruder und zugleich Gespiele«,
so flüstert einer »Bruder, gute Nacht!
Und gute Nacht der Jugend frohen Tagen,
Sie werden nun mit Dir zu Grab' getragen.«

Ein goldnes Kruzifix steht im Gemache,
Und rechts und links davon der Leuchter zwei;
Es hält der Priester nachts dort stille Wache
Und betet leis die Totenlitanei;
Durchs offne Fenster drängt des Flieders Klage,
Als schwüler Duft noch einmal sich herbei;
Des Toten Liebling' waren seine Blüten,
Dies wollen sie mit süssem Hauch vergüten.

Der süsse Hauch, er schmiegt sich um die Leiche,
Er zieht sich durch das volle dunkle Haar;
Er küsst die Stirne, diese reine, bleiche,
Auf der noch keiner Sünde Schatten war;
Er bringt aus seinem zarten Blütenreiche,
Was er besitzt an Duft, dem Toten dar,
Der aber lächelt, lächelt sanft und selig. –
...
Dein Lied verklingt ... in Thränen stirbt's allmählich.


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