Kaiserin Elisabeth von Österreich
Das poetische Tagebuch
Kaiserin Elisabeth von Österreich

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Am ersten Mai.

Noch hat der erste Sonnenstrahl
Den Domogléd nicht wachgeküsst;
Es dämmert kaum im Zauberthal,
Wo laut allein die Cserna fliesst.

Da kommt ein Salamander sacht
Ans Lager, drauf Titania ruht;
Voll Freud' ist sie darob erwacht,
Willkommt entzückt das treue Blut.

»Mich hat der Zauberberg»Zauberberg« = Jainzen in Ischl, wo sich Erzherzogin Marie Valerie, das »Alpenröslein«, in dieser Zeit aufhielt. entsandt,
Vom Alpenröslein bring' ich Kund;
Er hat den Blick stets drauf gewandt;
Und, Gott sei Dank, es ist gesund.

Doch nun, da ich so weit gereist,
Dünkt mir, ich blieb am besten hier
Im Thal, das Deine Leier preist;
Denn kühle Felsen bietet's mir!«

Titania aber trägt den Freund
Voll Lieb' und Sorgfalt in den Wald,
Wo sich ein dichtes Laubdach eint
Und rieselnd eine Quelle wallt.

Viel' Felsen liegen hier zerstreut,
Vom Alter grau, mit Moos bedeckt.
Gleich einem dunkelgrünen Kleid,
Hat dichter Epheu sie umstreckt.

Auch dunkle Höhlen bieten sie
Und Zellen, tief wie eine Gruft;
»O Freund, hier hörst du es ja nie,
Wenn meine Stimme nach dir ruft!"

Und schweren Herzens legt sie ihn
Ins schwellend weiche, feuchte Moos;
Sieht trauernd ihn von dannen zieh'n,
Zurück, hinab zum Erdenschoss.

Und wo er eben erst entschwand,
Da gräbt sie etwas in den Stein,
So bleibt der Ort ihr wohlbekannt,
Wird ewig aufzufinden sein.

Sie gräbt mit jenem Silberstift,
Von dem allein der Meister weiss;
Wer's einmal unterm Epheu trifft,
Der liest das Wort dann:

    »Αχιλλεοσ«.


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