Kaiserin Elisabeth von Österreich
Das poetische Tagebuch
Kaiserin Elisabeth von Österreich

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Vom 11. bis 15. September 1887 war Elisabeths Schwager, Herzog Ferdinand von Alençon, mit seinen Kindern zu Besuch in Ischl. Er reiste von hier aus weiter nach Graz, wo seine Gemahlin Sophie (die jüngste Schwester Elisabeths) in der privaten Irrenanstalt Prof. Richard Krafft-Ebings wegen ihrer Liebesaffäre mit Dr. Glaser S. 212ff.) interniert war. Die Erzählungen von Sophies ältester Tochter, Prinzessin Louise von Orleans, geb. 1869, gibt die Kaiserin im folgenden wieder:

Was uns Louise erzählte.

»Die Mutter grollte mir schon immer,
Und warf mir vor, dass ich gelauscht,
Als mit der Zofe sie im Zimmer
Geheime Worte just getauscht.

Ja, dergestalt war sie erbittert,
Dass sie kein Wort mehr zu mir sprach;
Mein Friede war komplett erschüttert,
Das Herz vor Kummer fast mir brach.

Wie seit der Kindheit ersten Jahren,
So wohnt' ich jetzt auch neben ihr;
Doch ach! mit Riegeln that verwahren
Sie gegen mich nun ihre Thür.

Und nicht genug, den grössten Kasten
Schob sie der Thüre auch noch vor,
Ins Schlüsselloch des Vorhangs Quasten
Zwängt sie gen ihres Kindes Ohr.

Da sie zuhaus einst nicht gewesen,
Schlich sacht' ich in ihr Zimmer ein;
Vom Teufel nämlich schien besessen
Vor unsrer Thür mir dieser Schrein.

Da hab' ich ihn voll frommen Glauben
Mit Weihwasser denn rings bespritzt;
Den Frieden sollt' nicht länger rauben
Der böse Geist, der drinnen sitzt.

Doch der that sich entsetzlich rächen;
Ich war den Abend aufgebracht,
Begann mit mir allein zu sprechen,
Hab' laut manch böses Wort gesagt.

Die Mutter aber rief im Grimme
Mir aus dem andern Zimmer zu:
»Nicht hören will ich Deine Stimme,
Und ich gebiete Dir jetzt Ruh'!"

War von dem bösen Geist besessen
Ich diesen Abend selbst vielleicht?
Denn meine Zunge, pflichtvergessen,
Gab Antwort, wo Gehorsam schweigt.

Da stürzt mit donnerndem Getöse
Der Teufelskasten vor der Thür,
Die fliegt weit auf, und bleich und böse,
Steht meine Mutter jetzt vor mir.

Ja, bleich war sie, verzerrt die Züge,
Das Auge starr und doch so wild,
Die Faust geballt, als ob sie schlüge,
Stand sie vor mir, des Wahnsinns Bild.

Von toller Furcht gepackt, ergriffen,
– Ich dachte schon, sie mordet' mich, –
Entsetzt bis in der Seele Tiefen,
War's, dass ich schleunigst nun entwich.

Ob ich dabei auch laut geschrien?
Ich wusst' es selber nicht einmal;
Ich raste nur auf schwanken Knien,
Die Trepp' hinan in meiner Qual.

Ich raste in des Vaters Zimmer,
Der sass mit seinem Gram allein,
Das Antlitz ernst und mild wie immer,
So las er bei der Lampe Schein.

Schon öffnet er den Mund zur Frage,
Da stürzt mein BruderPrinz Philipp Emanuel von Orléans, geb. 1872. auch einher;
Ihn weckten Hilferuf und Klage,
Jetzt ruft er laut: »Voleurs! Voleurs!«

Ein Messer schwingt er in der Rechten,
Ergriffen bei dem Sprung vom Bett;
Uns schützend, will er bluten, fechten:
»O mon Dieu! komme ich zu spät?"

Die Stieg' herauf in bleichem Schrecken
Kommt nun auch Mademoiselle André,Französische Gouvernante.
Selbst sie vermocht' der Lärm zu wecken,
Nun stöhnt sie: »Qu'est-il arrivé?«

Des Vaters Diener, rasch entschlossen,
Zeigt noch allein Présence d'Esprit;
Er schlüpft vor allem in die Hosen
Und dann: »A moi donc, qui s'y fie!«

Nun endlich kann der Vater fragen,
Was alles dies bedeuten soll;
Es sank mein Blick in bangem Zagen;
Denn seiner war so vorwurfsvoll.

O Ciel! was musst' ich da entdecken,
Vor Allen stand ich da im Hemd:
»Mon père, wo kann ich mich verstecken?
Ich war vernichtet und beschämt.

Die Mutter aber schrieb dem Vater
Mit Bleistift folgendes Billet:
Ta Louise est aussi opiniâtre,Im Originalbillett steht »insolente« »frech«
Qu'elle est poltrone et mauvaise tete.»Deine Louise ist ebenso hartnäckig, wie sie ein Feigling und Dummkopf ist.«


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