Kaiserin Elisabeth von Österreich
Das poetische Tagebuch
Kaiserin Elisabeth von Österreich

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Nordsee-Stanzen.

I.

Es ist das Meer so tief wie deine Seele,
Des Glaubens Farbe ist das heil'ge Blau,
Dem Saphir gleichet heute jede Welle,
Und wie ich sinnend sie vom Boot beschau',
Da ahnt mir, dass umsonst mich Zweifel quäle,
Sie sprechen: »Forsche nimmer und vertrau!«
Und wie die Sonne strahlt aufs Meer hernieder,
So spiegelst du in meinem Geist dich wieder.

II.

So unergründlich wie des Meeres Tiefe,
ist, was die Seele mir gewaltig füllt;
Ich wandle hin bei Tag, als ob ich schliefe,
Durch Nebelschleier scheint mein Stern verhüllt.
Doch nachts im Traum deucht mir's, als ob ich riefe,
Mein kühnstes Hoffen nun sei es erfüllt;
Denn in des Traumes seligen Sekunden
Hat meine Seele endlich Ihn gefunden.

III.

Es wirft die Sonne vor dem Niedergehen
Noch einen Blick auf die geliebte See;
Nun kann kein menschlich Aug' mehr auf sie sehen,
Es thut die rote Glut ihm dort zu weh;
Und dennoch muss gebannt ich lange stehen
In dieses lodernden Altares Näh'.
Die besten Nachtgebete meiner Seele
Leg' ich hier nieder an Jehovas Schwelle.

IV.

Ein schwacher Luftzug kräuselt kaum die Fläche
Der See, die sich in graue Ferne dehnt;
Das Wasser plätschert schläfrig nur und träge,
Wo es sich lässig an die Bootwand lehnt,
Und wenn die Sonne selbst den Dunst durchbräche,
Gelangweilt, hätte sie wohl nur gegähnt.
Die Hand sinkt machtlos mit dem Stift mir nieder,
Und tiefer Schlaf schliesst meine Augenlieder.

V.

Es ballen Wolken sich am Horizonte,
Sie rücken drohend näher stets heran;
Der grüne Streif am Meer, der hellbesonnte,
Er deutet Felsen dort im Seichtren an;
Der Steuermann, der lang schon seegewohnte,
Er wendet rasch das Boot in andre Bahn,
Und vor dem nahen Ungewitter flüchtend,
Eilt er dem Lande zu, die Segel richtend.

VI.

Auf sturmerregten Meereswogen kreisen
Die Möven hin im leichten, runden Tanz,
Gespensterhaft dreh'n sich die silberweissen
Und flinken Fittige im Sonnenglanz,
Dann wieder in den tiefen Wellengleisen
Verschwinden sie sekundenlange ganz.
Ein toller Nordwind pfeift dazu die Weise,
Bald jauchzend laut und bald ersterbend leise.

VII.

Die Fluten kommen rastlos angezogen
Und pochen laut an unsres Bootes Wand,
Und manche dieser hohen blauen Wogen
Hebt forschend sich bis an des Schiffes Rand,
Doch kaum, dass Umschau sie darin gepflogen,
So hat sie still sich wieder abgewandt. –
Ich glaub', dass sie den bleichen Mann erkannte
Und leise flüsternd seinen Namen nannte.

VIII.

Auf hoher See wiegt sich mein Boot durch Stunden,
Und Wasser nur und Luft sind um mich her;
Und doch zu flüchtig scheint die Zeit entschwunden,
Wenn ich des Abends wieder heimwärts kehr';
Des Meisters Seele ist's, die ich gefunden
Weit draussen auf dem stillen, tiefen Meer;
Sie lässt sich dorten leise zu mir nieder. –
Und durch die Lüfte zieht's wie süsse Lieder.

IX.

Mir ahnte wohl, dass manche bunte Rosen
Aus dieses Meeres tief verborgnem Grund
Zu der krystallnen Fläche würden sprossen
In heimlich stiller, unbelauschter Stund'.
Der wilden Wogen Salz hat sie begossen,
Drum sind sie oft so seltsam und so bunt.
Nun, da mein Kranz gewunden, muss ich fliehen.
Wo werden wohl die nächsten Rosen blühen?


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