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Es war einmal eine Wüste, die hatte den Menschen und Tieren nichts zu bieten als nackten Sand. Um ihnen dennoch zu gefallen, sammelte sie das Sonnenlicht, das auf sie herabstrahlte, wie eine goldene Schüssel.
»Wenn es mir schon nicht vergönnt ist, Wasser zu spenden und Pflanzen hervorzubringen, damit Tiere und Menschen sich bei mir wohlfühlen, dann will ich wenigstens warm sein,« tröstete sie sich. Da sie sich aber auf die Sonne verlassen musste, konnte sie ihre Temperatur nicht regulieren. So kam es, dass sie tagsüber zu heiß und nachts zu kalt war. Das muteten sich weder die Tiere zu noch die Menschen.
»Ich kann machen, was ich will, ich werde nicht akzeptiert,« seufzte die Wüste und glühte traurig vor sich hin. Nachts aber fror sie selber und träumte von der Hitze, obwohl ihr die genauso wenig gut tat.
Jahrhundertelang quälte sich die Wüste durch ihre Einsamkeit. Tag um Tag, Monat um Monat, Jahr um Jahr erlitt sie das Wechselspiel von heiß und kalt, litt sie vor allem unter ihrer unverschuldeten Unfruchtbarkeit.
Dann endlich kam ein großer Bohrer, der war noch größer als die Bäume, um die der trockene Sand seine Randgebiete solange beneidet hatte. Der Baum hatte nur eine Wurzel. Die aber bohrte sich so tief ins Innere der Wüste, so tief in ihre tiefste Seele, dass er auf reines, segensreiches Wasser stieß, auf einen ganzen See, der sich unter der unendlichen Öde verborgen hatte.
Der Bohrer befreite das große Wasser aus seinem glanzlosen Schlaf und holte es in glücklichen Schwallen zutage. Es sprang der Sonne entgegen und dem Mond. Es quoll und strömte ins Licht der Sterne. Immerzu wälzte es sich nach oben, eine jauchzende, endlos strudelnde Woge, ein Strom sich ergießender Edelsteine, die in allen Farben glommen und blitzten.
»Dass die Wüste es in sich hat,« sagte der Ingenieur, »das habe ich immer gewusst, sonst hätte ich dieses Experiment nicht gewagt. Aber einen solchen Schatz habe ich doch nicht erwartet. Wir werden hier ein Paradies gründen.«
Er sprach zu einem reichen Mann, der das Projekt finanzierte und sich fast so sehr freute wie der Ingenieur.
»Man soll die Hoffnung doch nie aufgeben,« fuhr er fort, »da doch sogar die Wüste zum Segen für die Menschheit werden kann.«