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Es war einmal eine Bahnschranke, die schämte sich, weil sie immer dem protzigen Zug mit seinem Gefolge Vorrang gab. Dafür mussten die Autos, die Motor- und Fahrräder und sogar die ohnehin schon so langsamen Fußgänger warten. Allerdings waren die Fußgänger geduldiger als die motorisierten Fahrzeuge, die manchmal hupend protestierten. Doch dafür hatte die Schranke Verständnis.
»Wenn die Mechanik nicht wäre,« schimpfte sie, »würde ich doch nicht dem so frech auftrumpfenden Ungeheuer den Weg freihalten. Diese althergebrachte Automatik ist herzlos und zwingt auch mich, herzlos zu sein.«
Eines Tages aber gelang es ihr, die Kurbel des Schrankenwärters zum Streik zu überreden. Nun blieb die Schranke oben. Da freute sie sich:
»Wenn jetzt auch noch mein Kollege von der anderen Seite mitmachte, wäre die Bahn frei für den Straßenverkehr, wie ich das immer gewünscht habe. Aber so ist es auch schon gut, blockieren wir doch nur jeweils die halbe Straße; eine Fahrbahn bleibt sowieso frei. Wenn ich den Verkehr durchlasse, kann er wenigstens einspurig fließen.«
Da nahte der Zug mit seinem großen Anhang. Er ahnte nicht, dass die Bahnschranke sich auflehnte und senkrecht dastand, wie um der sozialen Gerechtigkeit der Straße zu salutieren. Nein, der Zug setzte voraus, dass er Vorrang hatte und brauste mit seiner schnellen Kraft vorwärts wie immer.
Die ersten Autos aber, die von der Freiheit der Schranke Gebrauch machten, wurden von der unschuldig-massiven Stärke der Lokomotive erfasst und zermalmt.