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Es war einmal eine Mütze, die hatte den ganzen Sommer in einem Schrank gelegen und sich sehr gelangweilt. Der Schal neben ihr hatte nur immer von Halsschmerzen geschwafelt. Das war auf die Dauer ein unangenehmes Thema. Die Handschuhe auf ihrer anderen Seite hatten zwar viel mehr erlebt und viel aus der Praxis des Alltags erzählt, aber so angeberisch, dass aus jedem kleinen Griff ein Abenteuer wurde. Das ging einem auf die Nerven. Wenn die Handschuhe zum Beispiel verhindert hatten, dass ihr Besitzer vor Kälte blaue Finger bekam, stellten sie es so dar, als hätten sie ihm das Leben gerettet.
So war die Mütze froh, als sie im Herbst wieder hervorgeholt wurde, aber sie wollte ihren alten Platz auf dem Kopf eines Schülers nicht wieder einnehmen, jedenfalls nicht für lange. Wusste sie doch genau, dass sie nach dem Winter wieder in den Schrank käme. Ja, es konnte sogar passieren, dass man sie weggab, weil eine andere Farbe oder eine andere Form modern geworden war.
Deshalb beschloß die Mütze, bei der ersten guten Gelegenheit abzuhauen und ein Leben nach eigenem Geschmack zu führen.
Sie brauchte gar nicht lange zu warten. Schon am ersten Schultag nach den Herbstferien beugte sich der Junge auf dem Heimweg so tief über ein Brückengeländer, dass die Mütze sich nur noch fallenlassen musste, um frei zu sein.
Der Wind, den die Mütze bis dahin immer abgewehrt hatte, machte sich einen Spaß daraus, ein wenig nachzuhelfen, so dass sie in einem weichen Bogen in den Fluss hinuntersegelte und glücklich auf ihrer geschlossenen Oberseite landete. Nun konnte sie wie ein kleines Boot auf den sanften Wellen dahingondeln.
Ein wunderbares Gefühl der Freiheit wogte in ihr, als sie unbeschwert dahinglitt und keine andere Last zu tragen hatte als die Sonnenstrahlen, die sich durch eine Wolkenbarrikade gezwängt hatten und nun scheinbar froh waren, sich ausruhen zu können.
Die selige Gaukelei auf den gelassen wallenden Wellen wurde jedoch schon an der nächsten Flussbiegung unterbrochen. Die vor sich hin träumende Mütze stieß nämlich unsanft an einen Zweig, der von einem Uferstrauch ins Wasser ragte, als wollte er wie ein spitzer Schnabel davon trinken.
Der Zweig bog sich erstaunt zurück, schnellte aber enttäuscht wieder vor, als er sah, dass sein Gast nur eine abgetriebene Mütze war. Nun, auf diese Weise kam der Ausreißer wieder in Fahrt und brauchte sich nicht zu beklagen. Eine solche Unterbrechung passierte noch einige Male, verlief aber immer glimpflich.
Erst als die Sonnenstrahlen sich verabschiedeten und mit ihnen auch die Wärme entwich, wurde der Mütze mulmig zumute. Doch sie schwamm tapfer weiter.
Mit der Zeit aber stellte sich heraus, dass der Fluss, der sie so liebevoll trug, gar nicht so selbstlos war, wie die Mütze angenommen hatte. Es drang immer mehr Wasser in den Stoff der Mütze. »Das ist nur ein Spiel,« tröstete sie sich, »der Fluss will mich necken und tut so, als sollte ich jetzt einen Teil von seinem Wasser tragen, nachdem er mich doch die ganze Zeit auf seinen Buckeln mitgenommen hat.«
Doch je schwerer das Wasser sie nach unten zog, umso schwerer wurden auch die Gedanken der Mütze. Schließlich gab es keinen Zweifel mehr: Der Fluss wollte sie verschlingen.
»Das darf ich mir nicht gefallen lassen,« dachte die Mütze und drehte sich vor Aufregung um sich selbst. Das war noch ihr Glück, denn die Bewegung um die eigene Achse stabilisierte sie, so dass sie sich dem Fluss widersetzen und mit letzter Kraft ans Ufer trudeln konnte. Eine ältere Welle, die es satt hatte, immerzu abwärts zu plätschern, flüchtete mit ihr auf das sandige Ufer, wo sie zugrundeging und die Mütze erschöpft in sich zusammensackte. Das Wasser rann in den Fluss zurück.
Tagelang lag die Mütze hier, wurde nass, wenn es regnete und trocknete wieder, wenn die Sonne schien.
»Wäre ich nur nicht abgehauen,« quengelte sie vor sich hin, »was für ein Leben hätte ich haben können! Jetzt bin ich zerknautscht und muss erbärmlich frieren. Wie angenehm war es dagegen, auf dem Kopf des Jungen zu thronen. Ich kann froh sein, wenn ich überhaupt noch gebraucht werde. Aber wozu? Wer kann mit so einem heruntergekommenen Vagabunden noch etwas anfangen?«
Während sie so dachte, weinte sie so erschütternd, dass die Luft sich mitleidig in sie schmiegte und ihr die Tränen trocknete. Dann nahm eine kleine Bö sie in die verspielten Fangarme und schob sie in einen leeren Kasten. Die Mütze verkroch sich in eine der hinteren Ecken und schlief ein.
Nach vielen Stunden erwachte sie von einem zunächst unangenehmen Kribbeln und Schnuppern. Sie schüttelte sich, aber das Tapsen in ihren Falten und das suchende Schnauben hielten nur kurz inne, um dann mit gesteigerter Neugierde fortzufahren.
»Insekten!« Schoss es der Mütze durch den Kopf.»Ich werde besetzt. Oh nein! Das ertrage ich nicht. Die machen mich verrückt!« Sie wehrte sich aber vergeblich. Die Insekten blieben und ließen sich häuslich nieder.
»Na gut,« gab die Mütze endlich nach, »was soll ich mich dagegen sträuben. Es ist doch besser, Fremden Unterschlupf zu gewähren, als einsam zu verrotten.«
Die Mütze wusste nicht, dass sie trotzdem verrotten und verfallen würde, um schließlich nur noch als Nestmaterial und als Futter zu dienen, immerhin ein nützlicher Tod.