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Es war einmal ein rosaroter Leuchtstift, der hob die wichtigsten Wörter und Sätze und Absätze in einem Buch so hübsch hervor, dass er sich selber ganz wichtig vorkam.
»Pah,« wehrte ein Kugelschreiber die sanfte, aber doch stetige Prahlerei des Leuchtstiftes ab, »im Grunde bist du doch nur ein Schmarotzer, der von der Aussagekraft des Textes lebt. Je mehr gute Stellen im Text, umso mehr wirst du gebraucht, na und? Selber sagst du gar nichts aus, du bekräftigst nur, was andere geleistet haben und tust so, als wäre es dein Verdienst.«
»Und wenn schon,« verteidigte sich der Leuchtstift, »immerhin vollende ich den Sinn, indem ich ihn schön hervorhebe, damit er auch ankommt. Ich mache die Aussage lesbar. Ich sortiere und sorge dafür, dass sich das Verwertbare einprägt.«
»Firlefanz,« schimpfte der Kugelschreiber; ihm war unbehaglich zumute, da der Leuchtstift womöglich Recht hatte, »was ist ein Wort oder ein Satz oder ein Absatz ohne den größeren Zusammenhang. Du zerstörst die Einheit und verwirrst den Leser.«
Da ärgerte sich der Leuchtstift und fragte heimtückisch:
»Soll ich auch deinen Text hervorheben?«
Der Kugelschreiber, der wohl wusste, dass er nicht so gestochen schön schreiben konnte wie eine Maschine, überlegte nicht lange:
»Das wäre sicher sinnvoller, als den ohnehin schon arroganten Text des Buches noch mehr zu verwöhnen.«
Da sprang der Leuchtstift aus dem aufgeschlagenen Buch direkt in das Protokollheft, das der Kugelschreiber geschrieben hatte, und zog Zeile um Zeile darüber hin, bis beide offenen Seiten ganz rosarot waren wie eine platte Glut.
»Nein!« schrie der Kugelschreiber, als es schon zu spät war, »nun kann man meine Schrift ja gar nicht mehr lesen. Sie blendet ja, dass einem die Augen schmerzen.«
»Nun,« antwortete der Leuchtstift scheinheilig, »du meintest doch vorhin, ich dürfe den Zusammenhang des Textes nicht unterbrechen. Deshalb habe ich ihn einheitlich hervorgehoben. Bist du nicht zufrieden?«
»Schon gut,« gab der Kugelschreiber nach, »du hast gewonnen. Aber dabei bleib ich: Du kannst nicht selber schreiben, du gibst nur die Farbe, nicht den Sinn.«
»Nun ja,« auch der Leuchtstift lenkte ein: »wir wollen uns nicht streiten. Immerhin haben wir eines gemeinsam, wir sind beide Handwerker. Ich habe zwar auch mit der Maschinenschrift gut zusammengearbeitet, aber mit dir wird es wohl noch mehr Freude machen. Mit dir kann man reden. Ich kann dir doch gleich beim Schreiben sagen, was du stärker betonen sollst. Bei einem fertigen Buch bin ich doch bloß Nachbesserer.«
»Ich schlage eine neue Seite auf,« sagte der Kugelschreiber, indem er sich erhob, um gleichsam ein neues Leben zu beginnen, »und du
mischst dich immer dann ein, wenn ein Wort oder ein Satz oder ein Absatz besonders wirken soll.«
»Daran wird es nicht mangeln,« antwortete der Leuchtstift gönnerhaft, »doch denke daran: es darf nicht alles wichtig sein.«