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Es war einmal ein Kompass, der zeigte so gut und so richtig nach Norden wie andere Kompasse auch. Aber seine Messskala, die Rose, war so verrutscht, dass die Nadel scheinbar in die falsche Richtung wies.
»Du bist ein blöder Heini!« wütete der Schüler, dem der Kompass gehörte, nachdem er damit auf Wanderschaft gegangen war. Er wusste nicht, dass die Kompassrose falsch im Gehäuse lag und gab deshalb dem Zeiger die Schuld daran, dass er sich verlaufen hatte.
Seine Empörung aber beruhigte sich, so dass er eine Viertelstunde später scheinheilig einen Klassenkameraden fragen konnte, ob dieser nicht einen guten Kompass kaufen wolle. Der Preis lag beachtlich unter dem Neuwert, so dass der andere Junge einschlug.
Der aber merkte schon bei den ersten Versuchen, als er den Kompass nämlich mit der Richtung des Polarsterns verglich, dass die Skala nicht stimmte, wohl aber der Zeiger. Er stellte sich auf diese Abweichung ein und machte aus dem Kompass einen ganz persönlichen Besitz, mit dem nur er zurechtkam und sonst keiner.
»Tja,« dachte er philosophisch schmunzelnd, »manchmal ist eben nur der Maßstab verkehrt und nicht das Objekt, das man anpeilt. Manchmal stimmt auch die Moral nicht, und der Mensch, der danach beurteilt wird, ist völlig in Ordnung, womit ich allerdings nicht sagen will, dass mein Schulkamerad moralisch okey ist.«