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Es war einmal ein Pfeifkessel, der konnte sehr wütend und herrisch werden. Wenn er arbeiten musste, wenn die Hausfrau ihn nämlich mit Wasser füllte und auf die Herdplatte stellte, freute er sich zunächst über die angenehme Wärme, die seinen silbernen Körper durchströmte. Doch dann begann es in ihm zu brodeln. Er kochte vor Wut und stieß schließlich einen so grellen, anhaltenden Pfiff aus, dass die Hausfrau erschrocken in die Küche stürzte, um ihm die Tülle vom Maul zu reißen. Nun spie er seine heiße Spucke nach ihr und verbrühte sie, wo er nur konnte.
Glücklicherweise ließ seine bösartige Kraft sofort nach, wenn man ihn vom Feuer nahm. Dann ließ er seinen nur noch kläglich blubbernden Inhalt willig in die Teekanne auf dem Frühstückstisch gießen und blieb auch still, wenn man ihm die Pfeiftülle wieder aufgesetzt hatte.
Wenn der leere Kessel dann aber auf die noch nicht abgekühlte Herdplatte zurückgestellt wurde, so dass er selber den Schmerz der Hitze spürte, ohne ihn abarbeiten zu können, dann hätte er gerne nach Wasser geschrien, um etwas zu tun zu haben und nicht an der eigenen Energie kaputtzugehen.
Die Hausfrau, die seine Schwäche genau kannte, füllte ihn von neuem, so dass er sich abkühlen und beruhigen konnte. Mittags durfte er sich dann wieder an seiner Pflicht erwärmen; er durfte sich erhitzen und wütend lospfeifen.
Jahraus, jahrein steigerte sich der Pfeifkessel mehrmals täglich in seine nützliche Wut, kühlte wieder ab und erhitzte sich erneut.
Trotz seines bewegten Lebens setzte er aber mit der Zeit mehr Kalk an, als die Hausfrau wegreinigen konnte, und schließlich ergraute er. Sein Silberleib blätterte ab. Als er nicht mehr gut aussah und nicht mehr mit voller Kraft arbeiten konnte, schenkte die Mutter ihn den Kindern.
Nun spielt er mit ihnen im Sandkasten und braucht sich nicht mehr aufzuregen, denn statt mit Wasser füllen ihn die Kinder mit Sand. Seine Tülle aber mit der frechen Pfeife dient den Kleinen als eine Art Mundorgel. So schön wie jetzt hat sie noch nie gepfiffen.