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Es war einmal ein Bild, das war so schön, dass die ganze Familie es liebte. Wann immer jemand das Wohnzimmer betrat, widmete er ihm einen betrachtenden Blick, nickte ihm freundlich zu wie einem anderen Menschen und wandte sich erst dann der Beschäftigung zu, deretwegen er den Raum betreten hatte.
Das Bild zeigte aber ein weinendes Gesicht, das war von Schmerzen und Tränen so entstellt, dass man nicht einmal erkennen konnte, ob es eine Frau oder einen Mann oder ein Kind darstellte. Es war dennoch ein herzbewegend schönes Bild. Die Familie, aber auch die Besucher, die ins Haus kamen, liebten das Gemälde, als hätte es ihre Qual auf sich genommen, um darzutun, welch einen schönen Sinn Not und Pein haben können: »Wenn ihr leidet«, so schien es zu sprechen, »dann schaut mich an und seht, wie hilfreich es ist – wenn man sich nicht davon erdrücken lässt, sondern in seinen Rahmen bannt.«
Eines Tages aber kam ein Kunsthändler, der erkannte den formalen Wert des Bildes und bot viel Geld dafür, soviel, dass die Familie glauben durfte, alles dafür kaufen zu können, was das Glück braucht, um sich in vielerlei Gestalt niederzulassen. Sie überließ ihm das Meisterwerk.
Nun gab es neue Möbeln, ein neues Auto, zum Videogerät eine Videokamera, zum Heimcomputer einen Festspeicher – und für das Bild ein neues Bild.
Nach einigen Wochen aber verzog sich die Freude an den toten Gegenständen wie ein goldener Nebel, den der sanfte Fahrtwind des Alltags davontrieb. Es blieb zwar das, was man von sich hineingelegt hatte, eine gewisse persönliche Vertrautheit, ein Wechselspiel mit dem eigenen Ich, aber nichts lebte und tröstete wie das Bild mit dem weinenden Gesicht, und nichts war so schön.
In der Meinung, mit seiner gelegentlichen Trauer allein zu sein, weinte dieser und jener manchmal heimlich vor sich hin, und ihm war dann, als hätte das Gemälde das verhindern können.