Helmut Wördemann
Gedichte
Helmut Wördemann

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Der weiche Gürtel

Es war einmal ein weicher Stoffgürtel, den man vorne zusammenknüpfen musste. Der hatte dauernd Ärger mit der Taille. Mal war er ihr zu weit und mal zu eng.

»Du schnürst mich ja tot,« wimmerte die Taille. Dabei atmete sie so schwer, als müsste sie die Luft durch einen zusammen gedrückten Gummischlauch einziehen und ausstoßen.

Wenn der gutmütige Gürtel nachgab, schimpfte die Taille: »Warum liegst du so locker? Willst du, dass ich wie eine Tonne aussehe? Man erkennt mich ja gar nicht mehr. Streng dich gefälligst an und mach mir eine hübsche Figur.«

Selbst wenn es dem Gürtel gelang, das Mittelmaß einzuhalten, machte er es der Taille nicht recht, da sie vor dem Essen andere Ansprüche stellte als nach dem Essen und bei Kälte andere als bei Hitze.

Schließlich platzte dem Gürtel die Geduld. Er fiel auseinander und ließ sich nicht mehr dauerhaft schnüren. Vom ständigen Wechsel war er so ausgeleiert, dass der Knoten nicht mehr hielt.

Die Frau, der er diente, bedauerte die Nachlässigkeit des schmucken Bandes und hängte ihn in den Schrank. Sie kaufte dafür einen Kunststoffgürtel mit Schnalle. Der wurde rigoros auf ein ziemlich weit innen liegendes Loch eingestellt, so dass er fast kneifend eng um die Taille lag.

»Das soll mich zwingen, dünner zu werden,« murmelte die Frau vor sich hin und lächelte wehmütig zum Stoffgürtel hinüber. Sie glaubte nämlich, er habe die Taille wegen ihres größeren Umfangs nicht mehr halten können.

Die Taille aber dachte nicht minder sehnsüchtig an die gute alte Zeit zurück, in der sie einen so anschmiegsamen Gürtel getragen hatte.

 


 


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