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Es war einmal ein großer Schmerz, der wollte so gerne klein sein. Doch je mehr er sich bewegte und abquälte, umso größer wurde er. Manchmal weinte er still vor sich hin und reinigte sich notdürftig von der Salzschlacke, die sich in seinem Bauch angesammelt hatte; manchmal schrie er laut auf, um den bedrängenden Druck in seinem Inneren loszuwerden. Danach fühlte er sich erleichtert. Aber er füllte sich immer wieder auf.
In seiner Not wollte der Schmerz nichts mehr zu sich nehmen. Doch das Fasten blähte ihn auf wie der Dunst einer Säure. Dann versuchte er, sich zu lindern, indem er alles verschlang, was ihm in den Weg kam, doch selbst die Musik und die Blumen taten ihm weh, waren sie doch unendlich schön und zeigten ihm erst recht,wie schäbig er war.
Da ging der Schmerz in die Einsamkeit, aber nun dehnte er sich wie in einem Vakuum, der Schmerz weitete sich aus, ohne dabei dünner zu werden.
»Wenn das Gesunde, das Schöne und die Einsamkeit mir nicht helfen können,« klagte da der Schmerz mit verzerrtem Gesicht, »dann gehe ich zu meinesgleichen. Mögen wir ineinanderstürzen und uns gegenseitig erdrücken.«
Verzweifelt machte er sich auf den Weg zu anderen Schmerzen. Sie waren gar nicht so weit entfernt, wie er bisher gedacht hatte. Da sein Blick aber stets auf sich selbst gerichtet gewesen war, hatte er seine Artgenossen gar nicht bemerkt. Viele hatten sich allerdings maskiert und taten so, als lächelten sie, so dass sie nicht leicht zu erkennen waren.
Zaghaft und mit der ihm eigenen Feinfühligkeit verständigte sich der Schmerz mit den anderen Schmerzen. Doch so sehr sie alle aufeinander eingingen, sie belasteten und vermehrten sich nicht gegenseitig. Ja, man darf wohl sagen, dass der Schmerz den Schmerz tröstete und dass der Trost ihn entspannte.