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Es war einmal ein armer Hund, der fühlte sich dauernd auf den Schwanz getreten.
»Ja«, lachte sein Freund, der die Sache nicht ernst nehmen wollte, um sie nicht noch ernster zu machen, »dein Schwanz ist zu lang. Du musst ihn höher tragen.«
Von nun an trug der beleidigte Hund seinen Schwanz wie eine Fahnenstange. Da jedoch, von den zu kurzen Haaren abgesehen, keine Fahne daran wehte, lästerten die anderen Hunde:
»He, bist du Soldat geworden? Aber, Fähnrich, wo ist deine Fahne? Die wächst wohl noch nach? Naja, hab nur Geduld. Regen und Sonne gibt es genug, wenigstens für einen Wimpel wird es reichen.«
Da wandte sich der arme Hund wieder ganz gedrückt an seinen Freund. Der aber wusste schon Bescheid. Diesmal lachte er nicht:
»Nun,« sagte er, »wenn der Schwanz dir so oder so Ärger verursacht, ob du ihn nun schleifen lässt oder hoch trägst, dann musst du ihn kupieren lassen. Am besten lässt du ihn so stutzen, dass nur ein Stummel übrig bleibt, dann kann ihn keiner mehr treten, und keiner kann ihn verhöhnen. Ich glaube eher, dass man dich bedauern wird.«
Der arme Hund folgte dem Rat mit trübsinniger Tapferkeit. Als der Schwanz ab und die Wunde geheilt war, eilte er mit zweifelnder Vorfreude auf die Straße, um seinen Freund aufzusuchen. Da merkte er, dass sein Gleichgewichtsgefühl gelitten hatte. Er torkelte ein wenig wie ein angetrunkener Mensch. Schon wollte sich ein Minderwertigkeitskomplex in seinem unsicheren Gemüt breitmachen, da lenkte ihn ein Rudel jener Hunde ab, die ihn bisher beleidigt oder verhöhnt hatten. Sie näherten sich in teilnahmsvoller Neugierde und wollten ausführlich wissen, wie das denn so sei, wenn man ohne Schwanz leben müsse.
Da lebte der arme Hund auf. Von nun an war er ein besonderer Hund. Zwar war er nicht mehr ganz er selbst, doch was ihm fehlte, ersetzte die verdutzte Achtung der Mithunde.