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Es war einmal eine Hosentasche, die tat pflichtbewusst und anpassungsfähig, was man von ihr verlangte. Am liebsten wärmte sie die Hand ihres Trägers oder verwahrte das weiche Taschentuch. Es machte ihr aber auch nicht viel aus, wenn sie das Portemonnaie halten musste. Als dann aber ein Schlüsselbund hinzukam, ließ ihre Gutwilligkeit nach:
»Ich verstehe das nicht,« grübelte sie, »man hegt mich und pflegt mich, wäscht und plättet mich, dass ich jedes Mal fürchte, die Prozedur nicht heil zu überleben, und dann bürdet dieser Mensch mir alles auf, was ihm in die Finger fällt. Hat diese verflixte Hose eigentlich keine zweite Tasche? Ich glaube, ich muss dem Herrn 'mal klarmachen, wo meine Grenzen sind.«
Von nun an walkte die Hosentasche ihren Inhalt so geschickt hin und her, dass die aus dem Schlüsselbund ragende Bartspitze ihren tiefsten Zipfel erreichte und die hier zusammenlaufenden Nähte aufriss.
»Das wird dem Herrn eine Lehre sein,« meinte die Tasche und pfiff vergnügt vor sich hin, »er wird mich stopfen lassen und künftig nur noch wenige, nicht sperrige Gegenstände in mir verstauen, nein, nicht verstauen, das ist ja dann nicht mehr nötig, unterbringen wird er die Sachen, locker und passend, damit ich nur ja nicht zu sehr ausbeule und wieder reiße.«
Der Träger der ansonsten recht ordentlichen Hose bemerkte das kleine Loch in der Spitze der Tasche aber gar nicht, zumal da es zu klein war, um die Gegenstände hindurch fallen zu lassen. Erst als die Tasche ihren Protest so weit trieb, dass ihr Loch groß genug auseinander klaffte, um den Schlüsselbund durch rutschen zu lassen, griff der Herr ein.
»Ich brauche eine neue Hose,« sagte er zu seiner Frau. »Nein,« erwiderte diese, »du brauchst nur eine neue Tasche, und die nähe ich dir.«