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Es war einmal ein Messer, das hatte einem Schlachter jahrelang treu gedient. Eines Tages aber sagte es sich: »Was soll ich immer tun, was dieser Mann von mir will? Ich möchte selbständig sein und mich selbst verwirklichen. Ja, ich möchte einmal alles aus mir herausholen und den Leuten zeigen, dass ich mehr schneiden kann als Fleisch und immer nur Fleisch.«
Also machte sich das Messer auf den Weg. Stolz blinkend zog es durch das Land, am liebsten bei Sonnenschein. In die Häuser ging es nur abends, um sich im Licht der Lampen scheinbar in Gold zu verwandeln. Überall, ob draußen in der Natur oder in den Räumen der Menschen, schnitt es sich seinen Weg frei und machte sich oft mehr Platz, als es brauchte. Es sichelte Gräser weg, säbelte Büschen die Wurzeln ab, wenn sie so aus der Erde ragten, dass man darüber stolpern konnte, und bohrte sich auch gelegentlich in die Kehle eines Schafes oder eines Pferdes oder eines anderen Tieres, das ihm ohne böse Absicht hinderlich war. In den Gebäuden der Menschen wagte es sich sogar an das harte Holz der Stühle und Tische.
So konnte es mit der Zeit nicht ausbleiben, dass es stumpf und schartig wurde.
»Merkwürdig,« dachte das Messer, »ich kann gar nicht mehr richtig schneiden.« Dann fiel ihm ein, dass es beim Metzger ab und zu geschliffen worden war. Da schlich es sich in die Küche eines Bauern und mogelte sich unter das Besteck.
Die Hausfrau wunderte sich über den Fremden. »Nicht schlecht,« meinte sie zu sich selber, »wenn du keinem anderen gehörst, lasse ich dich schleifen. So ein großes Messer hat mir gerade noch gefehlt.«
So erreichte das Messer sein Ziel. Es wurde geschliffen und blieb in der feinen Gesellschaft der Küchengeräte, wo es so weiche Sachen wie Brot, Fleisch, Gemüse und Margarine bearbeitete. Als es sich aber eingelebt hatte und sich bewusst wurde, dass es in der Besteck-Schublade der Stärkste war, wurde es wieder übermütig.
»Die können doch mit mir nicht machen, was sie wollen,« zischte es die Genossen an, als sie nach dem Spülen wieder einmal in die dunkle Lade gesteckt worden waren. »Ich hau' ab.«
Die unfreiwilligen Schicksalsgefährten klirrten nur leise und gleichgültig vor sich hin. Heimlich aber freuten sie sich, denn sie mochten den Wichtigtuer nicht.
Dem langen Messer war ihre Meinung egal, es nutzte die nächste Gelegenheit, um zu verschwinden. Als es aber auf der neuen Wanderschaft seine alte, angeborene Gewohnheit wieder aufnahm, alles zu zerschneiden, was ihm in den Weg kam, beachtete es nicht seinen feinen neuen Schliff. So kam es, dass es noch schneller als zuvor stumpf und schartig wurde. Und nun blieb kaum noch etwas von der Schneide übrig, das zu schleifen sich gelohnt hätte.
Alt und nutzlos schleppte sich das Messer dahin, bis es zufällig von einem Jungen aufgegriffen wurde. Der wollte damit einen Stock zurechtschnitzen. Doch das Messer versagte. Da warf er beides weg, den Stock und das Messer.