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Es war einmal ein schwarzer Hund, der litt sehr unter seinem finsteren Aussehen. Er bellte jeden an, der sich vor ihm fürchtete, denn er wollte geliebt sein wie andere Hunde auch. Da sein Vater ebenso grimmig-dunkel gewesen war, trotzdem aber eine schneeweiße Lebensgefährtin gefunden hatte, machte sich der schwarze Hund auf den Weg, um nach seinem Beispiel eine Partnerin zu suchen.
Eines Tages kam er an eine vornehme Villa, da lag auf einer Wiese in einem Korb ein rührend schönes Hündchen, weißer noch als die Schneeglöckchen-Blüten nebenan. Es war nämlich noch Winter, und die leuchtende Hündin fror erbärmlich.
»Warum gehst du nicht ins Haus?« fragte der schwarze Hund so sanft wie möglich, doch es klang wie heiser scharrende Eisbrocken. Die Hündin spürte aber den Schmelz in seiner Stimme und ging bibbernd auf ihn ein:
»Ich muss mich abhärten,« antwortete sie, »meine Herrin verwöhnt mich zu sehr, sagt mein Herr. Und immer wenn meine Herrin nicht zu Hause ist, stellt er mich nach draußen oder wirft mich in den kalten Teich oder zieht mich auf dem Fahrrad hinter sich her, dass mir die Zunge um die Lefzen schlägt. Am liebsten möchte ich sterben.«
Der raubeinige und doch nicht rauhherzige Gast schüttelte den gedankenschweren Kopf.
»Das ist doch kein Leben. Ich würde dich ja mitnehmen, aber ich glaube nicht, dass du dich mir anvertrauen willst. Wie du siehst, bin ich ein grober Geselle, finster von der Schnauze bis zur Schwanzspitze.«
»Du bist stark,« hauchte die Hündin und senkte ihr Köpfchen verschämt in das Kissen, auf dem sie lag. Dabei äugte sie aber nach oben, als könnte sie seine Antwort nicht verstehen, wenn sie ihn dabei nicht ansähe.
Auch der schwarze Hund schämte sich. Bisher war er insgeheim doch stolz auf sich gewesen und hatte sich selber damit getröstet, sein Aussehen sei eben der Preis für seine Tüchtigkeit. Da nun aber ein so liebliches Wesen sich so ähnlich ausdrückte, regte sich in ihm eine widersprechende Bescheidenheit:
»So stark bin ich auch wieder nicht. Ich tu` nur so.«
Fast hätte er hinzugefügt: »Ich habe ein weiches und deshalb schwaches Gemüt.« Aber angesichts der weißen Hündin wagte er nicht, bei sich selber eine Eigenschaft zu loben, die ihn mit ihrer Lieblichkeit verwandt machte.
»Ich weiß, wie du bist,« hauchte die verwöhnte Artgenossin, »eine Frau fühlt das, erst recht, wenn sie so sensibel gehalten wird wie ich. Du gefällst mir sehr gut, und wenn du mich beschützen willst, will ich dich lieben.«
»So kommst du mit?«
Die weiße Hündin stand auf, schüttelte sich und sprang aus dem Korb, um ihren neuen Freund zu begleiten. Die beiden vermählten sich und hatten vier Kinder, drei schwarze und ein weißes.
»Wenigstens ein weißer Hund,« maulte der schwarze Hund, drei Viertel traurig und ein Viertel froh.
»Du bist dumm,« schimpfte seine Frau mit freundlich vergebendem Blick, »die Schwarzen sind so gut wie die Weißen. Du wirst doch deine eigenen Kinder nicht wegen ihrer Haarfarbe schmähen. Wenn du sie allerdings verächtlich behandelst, kann sein, dass sie missraten. Also sei nett zu ihnen, damit sie freundliche Hunde werden – und Hündinnen,« fügte sie hinzu, denn zwei der schwarzen Kinder waren weiblich und so allerliebst wie die Mutter.
Der Vater nickte, reckte sich und sah noch einmal genau hin:
»Du hast recht, sie sind alle schön. Wer hat mir denn nur eingeredet, schwarz sei hässlich. Es gibt ja sogar schwarze Blumen.«
Von nun an liebte er alle seine Kinder, er liebte seine Frau noch mehr als am ersten Tag ihrer Bekanntschaft, und er liebte sogar sich selbst. Und als seine Enkelkinder zur Welt kamen, ein schwarzer Hund, eine weiße Hündin, ein schwarzweißer Hund und eine schwarzweiße Hündin, da freute er sich über die Farbenvielfalt und sah besonders bei den Gescheckten, dass Schwarz genauso wichtig ist wie Weiß.