Helmut Wördemann
Gedichte
Helmut Wördemann

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Der durstige Eimer

Es war einmal ein Blecheimer, der war so fein mit silbergrauem Zink überzogen, dass er sich sehr vornehm vorkam. Wenn er sich ins rechte Licht rückte, spiegelte sich der Lampenschein auf ihm wie schwankendes Gold. Das machte den Blecheimer überglücklich – und überheblich.

»Was?« schnauzte er die Bäuerin an, die ihn seines Glanzes wegen in ihren Dienst genommen hatte, »mit Milch willst du mich voll laufen lassen? Siehst du denn nicht, wie schön ich bin, wie ich changiere zwischen Gold und Silber? Wie kannst du mir das eintönige Weiß zumuten, das nach Kuh schmeckt?«

Dabei schepperte der Eimer so widerspenstig, dass die Bäuerin sich schulterzuckend abwandte und einen Plastikeimer nahm.

Bald darauf kam der Bauer über den Hof in den Stall.

»Oh,« staunte er, »wir haben einen neuen Eimer? Nicht schlecht. Der blinkt und glitzert ja wie eine Dame im Abendkleid. Na, dann komm'`mal her und zeig', ob du auch 'was kannst.«

Er nahm den Eimer und trug ihn nach draußen, wo die Sonne ihn mit einem Licht füllte, das den Schein der Stall-Lampe zu einem Erinnerungsschatten verdunkelte. Nun überspielte das Gold den mattsilbernen Zinkblecheimer nicht mehr wie ein geisterhaftes Schwanken, nein, nun umhüllte es den eitlen Eimer und legte sein ganzes Innere aus.

Der Bauer aber ging mit dem Eimer in den Schatten des Wohnhauses, wo aus der Mauer ein Wasserkran ragte.

»So, da bleibst du stehen. Und wenn wir die Terrasse schrubben wollen oder Wasser für den Garten brauchen, bist du gleich zur Hand. Außerdem tropft der Hahn, so dass es gut ist, wenn du darunter stehst und verhinderst, dass die Tropfen auf den Gehweg spritzen.«

»Dich hat wohl ein Pferd getreten!« entrüstete sich der Eimer und schlug dem Bauern das rechte Knie wund. »Ich will in der Sonne bleiben. Was meinst du denn, warum deine Frau mich gekauft hat, mich und nicht so einen schäbigen Kunststoffeimer? Weil ich der schönste Eimer im ganzen Laden war. Na also, und nun soll ich hier verwittern wie ein xbeliebiger Trog? Lass mich in der Sonne stehen, dort bin ich am schönsten. Also erfülle ich dort auch am besten den Zweck, zu dem ich ausgewählt wurde.«

Der Bauer verzichtete darauf, das Missverständnis aufzuklären. Was verstand denn so ein hohler Bauch von der Schönheit des Nützlichen. Aber gefallen lassen wollte er sich die Unbotmäßigkeit des Eimers auch nicht. Also ging er ein paar Schritte zurück und stellte das widerspenstige Ding mitten auf den Hof, mitten in die Morgensonne.

Hier glühte es nun glücklich vor sich hin. Mit offenem Schlund und offenem Bauch schlürfte der Eimer das Sonnenlicht bis tief auf seinen Grund, ganz trunken von dem goldenen Schein.

Die Sonne aber stieg immer höher, und ihre morgens leicht hingeworfenen Strahlen fielen zum Mittag immer schwerer, denn die Wärme machten sie dick. Nun wurde dem Eimer mulmig zumute.

»Ganz schön heiß,« krächzte er,»aber Schönheit muss leiden, das war schon immer so.«

Als die Sonnenwärme sich aber in seinem Blechkörper festsetzte und von innen den silbergrauen Zinkmantel zu sprengen drohte, da schrie der Eimer auf:

»Ich geh' kaputt! Diese Sonne, dieses scheinheilige Ungeheuer. Erst berauscht sie mich mit ihrem Gold, und nun zerstört sie sogar meine Spiegelwände, so dass ich bald gar kein Licht mehr auffangen kann. Ich muss in den Schatten! Und trinken muss ich, bis zum Hals muss ich mich voll laufen lassen, damit ich schnell und gründlich abkühle. Ha! Der Sonne schlage ich ein Schnippchen, ertrinken soll sie in meinem Bauch!

Wasser! Wasser! Von mir aus auch Milch! Hätt' ich doch den Bauer gewähren lassen oder die Bäuerin! Wie stünde ich dann da! Silberschwarz oder wolkenweiß, nicht ganz so hübsch wie jetzt, aber angefüllt mit mehr als Luft, getränkt mit schützender Flüssigkeit und geschützt auch durch die Nützlichkeit für die Menschen. Ach, warum regnet es nicht? Wo ist der Bauer geblieben und die Bäuerin? Ist die denn noch immer nicht fertig mit dem Melken? Oder ist sie längst im Haus? Natürlich, ist ja schon Mittag. Ich platze, wenn ich nichts zu trinken kriege. Hiiiilfe!!!!«

Gerade zur rechten Zeit kam ein durstiges Pferd vorbei, das soviel Mitgefühl hatte wie ein gleichartig Leidender nur haben kann. Es trat gegen den Eimer, so dass er polternd umfiel und gegen die hintere Haustür rumpelte. Das hörte der Bauer.

»Na also,« sagte er, »da bist du ja. Und du? Komm', Max, ich geb.' dir zu saufen.«

Wie froh war der Eimer, als der Bauer ihn nun doch im Schatten unter den Wasserhahn stellte und bis zum Rand füllte. Und als das Pferd ihn leergetrunken hatte, stand er immer noch glänzend da und ließ silberglücklich Träne um Träne auf das Steinpflaster rollen.

 


 


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