Helmut Wördemann
Gedichte
Helmut Wördemann

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Die streikenden Ohren

Es waren einmal zwei Ohren, die konnten's nicht mehr hören. Den ganzen Tag nichts als Lärm. »Weißt du,« sagte das eine Ohr zum anderen, »den Krach am Arbeitsplatz und auf der Straße, den kann man ja noch verkraften, der verlangt kein Nachdenken. Man kennt ihn und kann ihn über sich ergehen lassen, ohne darauf antworten zu müssen. Im Gegenteil, manchmal empfinde ich ihn geradezu als Kopfschutz, der das Geschrei der Menschen draußen hält, so dass man in Ruhe seinen eigenen Gedanken nachhängen kann. Das Geschimpfe ist nämlich das eigentlich Unerträgliche.«

»Du hast völlig recht,« antwortete das andere Ohr, »aber von einer freundlichen Musik ließe ich mich lieber abschirmen.«

»Das stimmt,« echote das erste Ohr, »weißt du was? Wir stellen uns solange taub, bis wir `mal wieder richtig verwöhnt werden.«

Daraufhin beschlossen die beiden Ohren, die zusammen ein Paar bildeten, das immer zusammenhielt, solange zu streiken, bis man den Krach abstellte und nur noch Musik spielte.

Als sie taub waren, blieb der Mensch, dem sie dienten, von der Arbeit zu Hause, so dass sie dem Lärm nicht mehr ausgesetzt waren. Sie warteten aber vergeblich auf die Musik, denn der Mensch wusste nicht, dass sie sich ihr öffnen würden und ging lieber in eine Gemäldegalerie, um die Welt mit den Augen zu genießen.

»So geht es nicht,« seufzten die Ohren, »wenn wir das Gute hören wollen, müssen wir das Unangenehme in Kauf nehmen.«

Vor dem Museum, an der Straße, beendeten sie ihren Streik. Und sie hörten wieder zu.

 


 


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