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Graf Hans von Holstein und seine Schwester Margarethe

Graf Hans von Holstein im Burgsaal stund,
Vor ihm ein Jägergesell.
Und leise sprach ein zitternder Mund
Und sprach es stoßweis und sprach es schnell:
            »Ich frei um die schöne Margreth.«

Ein Lachen tanzte die Wände entlang
Und sprang zur Decke hinan:
»»Meine Schwester stammt aus edelstem Rang,
Und du bist ein simpler Jägersmann,
            Ein Diener in Herrensold.««

Frech grinste der Jäger den Grafen an:
»Wohl bin ich vom Hofgesind,
Doch die schöne Gräfin hat keinen Mann,
Und wiegt doch singend ein blondes Kind
            Im Schlosse zu Hennewisch.«

Graf Hans hob grimmig die Hand empor,
Seine Stimme war wie ein Schrei,
Wie ein gellender Ruf, der sich grollend verlor,
Zum Fenster hinaus und am Tor vorbei:
            »»Das lügst du, neidiger Hund!««

»Ich kenne ihr süßes Wiegenlied« ...
Des Grafen Wange ward bleich.
»Und sie singt es, wenn der Abendwind zieht.«
Als hätt' ihn getroffen ein Keulenstreich,
            Zusammenzuckte Graf Hans.

Seine Finger umkrallten die Klinge scharf,
Die Dolchkette klirrte leis,
Und als er den Kopf in den Nacken warf,
Da war seine Wange wie Schnee so weiß,
            Die Augen standen voll Glut.

Dann kam es drohend, dann kam es schwer:
»»Nun reit nach Hennewischschloß.
In drei Tagen bringst du die Gräfin her,
Du selber sattelst ihr dänisches Roß,
            Und keiner reite mit euch.««

Durchs Burgtor krachte donnernd der Huf,
Vorüber flog Wald und Feld,
Und vor den Hufen her gellte der Ruf:
»Graf Hans von Holstein hat Euch bestellt
            Zu sich auf den dritten Tag.«

Er schlug an die Pforte, er lief durch das Tor,
Die Stiegen flog er hinan,
In den Frauenprunksaal stürmte er vor,
Sprang übern Estrich, stand und hielt an
            Vor der schönen Gräfin Margreth.

Ein Grauen durchfuhr sie, zitternd und kalt,
Und sie stand und sprach keinen Laut.
Ein Zittern schüttelte ihre Gestalt,
Und ihr stöhnender Atem kam schwer und kam laut,
            Und ihr Blick sah starr hinaus.

Sie sprach, und es klang wie durch hohle Hand:
»Sonst fuhr ich im Prunkgefährt,
Nun wird ein Jäger nach mir gesandt,
Als wär ich dem Bruder heut weniger wert,
            Als riefe mich heut sein Groll.«

Schon band der Bursche die Renner los,
Ihr Wiehern durchschrie den Tag. –
Der schönen Gräfin noch immer im Schoß
Ihr blondes lachendes Knäblein lag.
            Sie küßte ihm Stirn und Mund.

Sie hob ihn zitternd und weinend ans Herz:
»Dich seh ich wohl nimmermehr.
Ich reite hinaus zu Schande und Schmerz –
Nun wird meine Liebe bitter und schwer.
            Meines Bruders Hand ist hart.«

Und wieder erscholl der Ruf unterm Tor,
Die Stiegen flog er hinan,
In den Frauenprunksaal stürmte er vor,
Und lief und sprang und stand und hielt an
            Vor der schönen Gräfin Margreth.

Sie schmückte mit Seide den jungen Leib,
Die Stirn mit Gold und Demant.
Und das Holstentrotzen dem jungen Weib
Zornflackernd in beiden Augen stand,
            Als ihr Knie überm Bügel sich bog.

Sie warf keinen einzigen Blick zurück,
Die Hufe durchrasten den Tann,
Sie jagte ums Leben, sie jagte ums Glück,
Und hinter ihr jagte der Jägersmann,
            Es keuchten Reiter und Roß.

Sie saß wie ein sturmumbrandeter Turm,
Ihr Auge war dunkel wie Nacht,
Und wie ein zerrissenes Segel im Sturm
Flog ihres Haares gelockerte Pracht
            Wildflatternd hinter ihr her.

Sie ritt und ritt. Der Abend kam.
Es dunkelte überall.
Und als sie den Fuß aus dem Bügel nahm,
Da schluchzte und sang eine Nachtigall
            Leise und süß aus dem Busch.

Sie ließ den Rappen stille stehn
Und lauschte lang und bang.
Dann trieb sie ihn mürrisch zum Weitergehn
Und hörte dennoch die Stimme lang, –
            Und sie weinte um ihr Kind.

Und als sie über die Brücke ritt,
Ihr Bruder eilte hinaus.
Er lief ihr entgegen mit schnellem Schritt,
Er hob sie vom Roß, er trug sie ins Haus:
            »»Nun wollen wir fröhlich sein!««

Er tanzte mit ihr durch den Rittersaal
Drei Stunden wohl auf und ab.
Ihre Lippen bebten und wurden fahl,
Und sie bat und flehte: »Laß ab! Laß ab!
            Graf Hans, mir zerspringt das Herz!«

»»Du tanztest doch ehmals so gern, Margreth.«« –
»Heut mag ich es nimmermehr.« –
»»Deine Schleppe hat Holsteins Schlösser durchweht.«« –
»Heut kann ich es nicht, mein Herz ist so schwer,
            Und ein Grauen wühlt mir im Sinn.«

»»Und springt dir das Herz bei dem schnellen Lauf,
Was bettelst und wimmerst du?
Ich löse dein seidenes Mieder dir auf,
Dann kommt deine zitternde Brust zur Ruh, –
            Zur Ruhe vielleicht auch ich.««

Auf hob sie die Arme, schreckensbang –
Da zerriß er ihr Gewand.
Die weiße Milch aus den Brüsten ihr sprang
Und quoll ihr über die schützende Hand
            Und tropfte leise herab.

Er stand und sah und sah und stand,
Sein Auge war starr und groß
Und sah, wie sie zitternd die Haare wand
Um die schwellenden Brüste schneeweiß und bloß
            Und langsam zur Türe schritt.

Kein Laut. Durch bleich verglimmendes Licht
Zuckte ein blanker Stahl:
»»Wer ein Ehrenschild in Holstein bricht
Und Schande schleppt in den Rittersaal,
            Den zerbricht ein Holstenschwert.««

Noch stand sie gelehnt an die Kachelwand.
Dann schrie sie plötzlich laut:
»Es soll Prinz Friedrich von Engelland
Einst reden für mich, seine tote Braut,
            Und sein mutterloses Kind.«

Ein dumpfer Fall und ein gellender Schrei,
Eine Klinge klirrte am Grund.
Ein zitterndes Seufzen irrte vorbei,
Und durch die Stille lallte ein Mund,
            Und das Blut sprang über die Wand ...

Prinz Friedrich von Engelland hielt vor dem Tor.
»Graf Hans von Holstein, mach auf!«
Er schob sein zweischneidig Faustschwert vor
Und spornte sein schäumendes Roß zum Lauf
            Und sprengte Mauer und Tor.

»Wo hast du die schöne Gräfin Margreth?«
Er brüllte wie ein Stier.
»Nun bete dein kürzestes Nachtgebet
Und dein schnellstes Amen, das rat ich dir,
            Ich, Friedrich von Engelland.«

Da aus dem Busch wie Wetter und Sturm
Seine Reisigen hinterdrein,
Und von Hof zu Hecke, von Keller zum Turm
Ein Sengen und Brennen, ein Fluchen und Schrei'n,
            Die Flamme stand überm Tann.

Prinz Friedrich tat einen einzigen Hieb,
Stumm ritt er zurück in den Wald.
Und als er sein Roß durch die Büsche trieb,
Sein Sinn war hart, und sein Herz war kalt,
            Und alles in ihm war tot.

Wilhelm Lobsien

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