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Um Waterloo brüllen die Donner der Völkerschlacht.
Schreie, – ein lediges Pferd, – die Salve kracht, –
Signale, – lodernde Dörfer, – gelbbraunes Rauchmeer,
Darinnen prasseln siebzig Schwadronen einher.
»Oberst von Lohe soll vorgehn!«
»»Zu Befehl, Majestät!««
Der König, der auf der Lafette steht,
Wartet lange. Das Fernrohr zittert. »Verdammt!
Lohe schwenkt ab! Das kostet ihm Degen und Amt!«
Die Schlacht ist gewonnen, das müde Heer hält Rast,
Alle heute bejubelt, einer gehaßt,
Alle besteckt mit Reisern und grünem Bruch,
Einer erwartet seines Königs Spruch.
Ist er geflohn? Oder ging ihm der Befehl
Verloren im Lärm des Reiterkampfs um Lavèle? –
Fern brennen Dörfer, Wachtfeuer glühen darein,
Soldaten singen: »Zu Braunschweig zogen wir ein ...« –
Aus des Königs Quartier tritt ernst ein General:
»Oberst, Seine Majestät stellt Ihnen die Wahl,
Da nicht zu wissen ist der Grund der Tat,
Ob Sie schuldig aus Irrtum, oder aus Verrat:
Entweder: Den Pallasch zerbricht Ihr jüngster Rekrut,
Oder: Sechzig Jahre Verbannung auf Ihr Gut!«
Schweigen. Eine Scheune stürzt knisternd zusammen,
Ferne Soldatenlieder wehn in die Flammen.
Der von Lohe hat die Hand an den Helm gelegt,
Ein Zittern hat die grauen Wimpern bewegt:
»Melden Sie Majestät, daß ich erkor
Sechzig Jahre Ehrenhaft in Lohr!
Aber ich bin alt, und bald heißt es abgebaut
Für einen, dem sein König den Mut mißtraut,
So geb ich mein adelig Wort auch für den Sohn,
– Sechzig Jahre in Lohr, er erlebt sie schon!
Und sechzig Jahre jeden einzigen Tag
Eine Lohe steigt zum Lohrberg hinan durch den Hag
Und späht nach Hannover und sehnt den Boten herbei,
Der unser Geschlecht vom Zorn des Königs befrei!« –
Drei Tage vergehn, da reitet ein müder Mann
Der Weser zu an der gelben Lippe hinan,
Zerfetzt, ein Reitermantel deckt seinen Rücken, –
Mehr als ein Mantel ging in der Schlacht in Stücken!
Der Regen schlug die Felder eintönig und weich,
Da kam er von Westfalen ins Königreich,
Und Regen rieselte, als er ritt durchs Tor,
Durchs Sandsteintor seines alten Schlosses Lohr. –
Soweit die Körner segnen der Väter Land,
Soweit er in eigenem Forste die Büchse spannt,
Soweit sein Pflug die Scholle der Heimat bricht,
Soweit wagt sich sein Fuß und weiter nicht.
Die zehner Jahre, die werden ihm gar so lang,
Wie späht er täglich vom Lohrberg fiebernd und bang,
Die zwanziger Jahre, – er gibt sich müde darein,
Ein rauhes Leben steht still im Abendschein.
Die dreißiger Jahre, die schnellen vierziger Jahre,
Da welkte die Degenhand, da bleichten die Haare,
Längst folgte auf Wilhelm König Ernst August,
Wie keucht zum Lohrberg jetzt die alte Brust!
Nach dem Boten frug er noch einmal in Ungeduld,
– Dann erbte ein anderer Lohe die alte Schuld.
Die fünfziger Jahre gehen ins Welfenland,
Er warb um Ursula von Knyphausens Hand,
Er führte sie heim, die Hochzeit war in Lohr,
Er ging bis zur Grenze und keinen Schritt davor,
Und als der König Georg bestieg den Thron,
Da hielt der Lohe im Arm den ersten Sohn,
Und beugte sich nieder zu ihm und sprach in Gram:
»Muß sich auch
dieses Auge einst senken in Scham?
Muß auch
der noch die Saat des Vaters mähn,
Die Saat der Schuld, und nach Hannover spähn?«
Die sechziger Jahre, da blitzt es auf bei Nacht,
Der große Komet hat großen Krieg gebracht,
Die Knechte liefen zu Hofe, der erste schrie:
»Nu sün wi preusch, un Sei sün wedder frie!«
Tief atmete da der Lohe in Schmerz und Scham
Und sann und sann. Am Nachmittage kam
Klencke Hämelschenburg und frug. Da sprach er schlicht:
»Ich brech den Sühne-Eid des Vaters nicht!«
Da brach der Sühne-Eid des Vaters ihn,
Sein Vaterland verloren, sein König in Wien,
Die Gnadensonne erloschen, die nie er sah, –
Seinem Herzen kam die bitterste Stunde da.
Sein Sohn, der dritte Lohe, hält seine Hand,
Ein Knabe schwört in die kalte Totenhand:
»Drei Königen hielten wir treu die Adelspflicht,
Drei Könige lösten den Eid der Lohes nicht,
Drei Welfenkönige gingen von Leben und Thron,
Drei Lohes dagegen, Großvater, Vater und Sohn,
Und so ist's recht, daß auch von den Unseren drei
Zerbrechen im Lebenskampfe, bis wir frei!«
Er steigt nicht mehr zum Lohrberg spähend hinan,
Er pflegt seinen Park, er jagt in Laub und Tann,
Soweit sein Pflug die Scholle der Heimat bricht,
Soweit wagt sich sein Fuß und weiter nicht.
Still segnen die gelben Körner der Väter Land,
Die siebziger Jahre kommen. Krieg ist entbrannt,
Dann klingt von fern ein Rufen, das Friede ruft, –
Der Kaiseraar schwebt hoch in deutscher Luft.
Dann noch vier Jahre, da geht von Lohr ins Land
Ein stiller Mann, des Sippe den Frieden fand,
Sechzig Jahre, – auch sechzig gehn vorbei:
Nach sechzig Jahren die Lohes sind wieder frei.
Börries, Freiherr von Münchhausen