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»O schütze uns Gott vor der schweren Not,
Erbarme dich, Herre Zebaoth,
Mit Sünden und Greueln, mit Mord und Brand
Der Schwede kam wieder ins Holstenland!
Unsre Felder stehn brach, unsre Söhne sind tot,
Wer gibt uns morgen das tägliche Brot?
Unsre Töchter wurden zu Tode gequält,
Wir harren des Rächers, – der Rächer fehlt!
Was suchst du uns heim, o habe Erbarmen,
Vergib die Sünden, o Herr, uns Armen!
Unsre Kinder haben wir beten gelehrt,
Jeden Sonntag bei dir sind wir eingekehrt,
Wir waren dein Volk, treu und bescheiden,
Herrgott im Himmel, was läßt du uns leiden!
Erbarmen gabst du all uns, deinen Knechten,
Gabst es Gerechten und Ungerechten,
Erbarmen gabst du ins Herz einem
jeden,
Aber keines dem Schweden!«
Mutter Flohr lag in heißem Gebet auf den Knien,
Kein Beten half, kein Rächer erschien.
Von drunten her, aus den Gasthofstuben
Scholl das Singen der schwedischen Reiterbuben:
Offiziere, Waibel, gemeine Soldaten,
Dazwischen Gesindel aus allen Staaten,
Ein wüster Haufe, im Taumel des Sieges,
Verwildert, verroht im Wirrsal des Krieges,
In zerrissenen Wämsern, schreiend und brüllend,
Immer wieder die leeren Gläser füllend,
Saß da im trunkenen Übermut
Und tat an des Wirtes Weine sich gut.
Peter Flohr, dem Wirt, ward's im Auge naß,
Im Keller lag unten sein bestes Faß,
Sein bestes Faß, sein letzter Wein, –
Sie schleppten es eben ins Zimmer hinein.
Und ein Bürschlein, kaum an die zwanzig Jahr,
Stellte sich vor ihn hin und zerrte sein Haar:
»Nun dank deinem Himmel, du räudiger Hund,
Und bete dein Sprüchlein aus Herzensgrund:
Hätten wir nicht das Faß gefunden,
Wir ließen dir etwas Besseres munden:
Kennst du den schwedischen Reitertrank?!
Wer den einmal in die Gurgel schlang
Vergißt die Stund nit gar so bald
Und würd er wie der Herrgott alt!«
Peter Flohr ward rot in die Stirn hinan,
Aus düsteren Augen blitzt er ihn an;
Er ballt die Faust, sein Herz schlägt bang;
O Stunde der Rache, wie währst du so lang!
Und an dem Tische beim vollen Glas
Ein junger schwedischer Leutnant saß,
Ein keckes adlig-stolzes Blut,
Im Nacken saß ihm der Übermut,
Die Augen frech und den Bart zerzaust,
Der schlug auf den Tisch mit dröhnender Faust:
»Den Siegern uns, in Strauß und Streit,
Unsres Heimatlandes Herrlichkeit,
Dem fröhlichen Krieg und der fröhlichen Zeit, –
Ich hebe mein Glas, – im Lande weit:
Wer tut uns Bescheid?«
Aller Augen schaun drohend zu Peter Flohr;
Aus der Rotte springt ein Lanzknecht hervor:
»Das Glas, hier nimm's! Gib uns Bescheid!
Und trinke, wenn nicht dir dein Leben leid!«
Wie aus Erz gegossen steht jener still:
Keiner, der ihm nahen will.
Und durch die offne Tür hinein
Tritt ins Zimmer des Wirtes Töchterlein:
Langaufgeschossen, die dreizehn Jahr,
Um die roten Backen das blonde Haar,
Ein Bauernmädchen, stämmig und frisch,
Die tritt an den Tisch.
»Wer bist du?«
»Herr im Land,
Flohrs lütte Matje bin ich genannt.«
»Was willst du?«
»Herr, Ihr riefet weit,
Ihr riefet, – ich kam. Ich tu Euch Bescheid!«
»So tu's. Doch weißt du auch, keckes Kind,
Mit wem du sprichst und wer wir sind?!
Wisse, wir sind die Herren im Land,
Euer Leben liegt in unserer Hand,
Und wollten wir euer Verderben, –
Ihr könntet noch heute am Galgen sterben!«
»Ich weiß.«
Und Stille. – Sie hebt das Glas,
Aus den Kinderaugen funkelt der Haß,
Eindringlich schaut sie Mann für Mann
Mit großen warnenden Augen an,
Und spricht,
Und jedes Wort eine flammende Klage,
Und spricht:
»Up dat es uns wull ga up unse olen Dage.«
Die Gäste stehn stumm. Ein Flüstern zag:
»Das war kein Mensch, der die Worte sprach,
Das war ..« doch keiner endet das Wort,
Schon schleichen sich heimlich die ersten fort, –
Da .. horch! .. In der Luft .. ein Brüllen – ein Schrein ..
Vom Felde her schallt es ins Zimmer hinein.
»Was war das ..?« .. »Um Gott .. die Bauern stehn auf ..«
Ins Freie drängt der trunkene Hauf!
Nun rette sich, wer sich retten kann,
Dumpf wuchtet das nahe Verderben heran!
O Stunde der Rache, o Stunde der Wonne!
Auf den Sensen der Bauern blinkt glühend die Sonne!
Matje Flohr stand allein im leeren Haus.
Sie sah wie eine Heilige aus.
* * *
Auf brennendes Land sank müde die Nacht.
Das Röcheln der Sterbenden endete sacht.
Das Land war frei. – Die Schweden lagen
Auf offnem Feld zerstampft und erschlagen. –
* * *
Jahrhunderte gingen. Mit freundlicher Hand
Segnet der Frieden das Holstenland.
Verschollen ist längst der Waffenklang,
Das Leben geht seinen lieben Gang.
Aber noch heute, im Kreise der Seinen,
Wenn am Sonntag sich Söhne und Enkel vereinen,
Beim zweiten Gang, zwischen Braten und Fisch
Erhebt sich der Hausherr, und still wird's am Tisch.
Der spricht: »Beisammen heut wie zuvor,
Ich denk, wir trinken mal, Matje Flohr!«
Und jeder wird ernst, und mit schlichtem Mund
Tut der Hausherr die alten Worte kund,
Und feierlich klingt es, demütig und zage:
»Up dat es uns wull ga up unse olen Dage!«