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Wenn die Fischerweiber von Westerland ihre Kinder wiegen zur Ruh',
Sie treten die Wiege auf und ab und singen ein Lied dazu.
Sie singen das Lied verhalten nur und putzen des Lämpchens Docht
Und horchen bang in die Nacht hinaus, wo der Regen ans Fenster pocht –:
»Slaap, mien Kind, slaap, mien Kind,
Göde Micheel, de segelt geswind,
Der Dänen Verheerer,
Der Bremer Vertehrer,
Der Holländer Krüz un Stecken,
Der Hamborger Schrecken!
Sien swarte Flagge, de weiht in Wind.
Slaap in un laat dat Grienen,
Un wenn mien Kind nich slaapen will,
Denn kümmt hei öwer de Dünen!«
Erk Mannis des Strandvogts Kind schlief ein bei dieses Liedes Klang,
Sie sang es mit frischem Kindermund, als sie über die Hofstatt sprang,
Sie summt' es sacht, wenn sie früh vor Tag sich flocht das gelbe Haar;
Erk Mannis Kind ward schön von Leib, und ihr Lachen klang stolz und klar.
Sie trug zum Melken die Eimertracht und ging mit rischem Gang
Und sang den Reim von Göde Micheel, daß es über die Deiche klang.
Eine schwarze Flagge stand fern im Dunst und wuchs aus dem Dunst heraus, –
Erk Mannis des Strandvogts Tochter kam am Abend nicht nach Haus ...
Des Strandvogts Kopf war grau vor Gram, sein Hof lag stumm und leer.
Es gingen sieben Jahr ins Land, und jedes Jahr wog schwer.
Wohl hieß der Bauer von Westerland in vorigen Tagen reich,
Heut' graste kein rotes Rind ihm mehr, kein flockiges Schaf am Deich.
Denn Göde Micheel war Herr der See, und wo er ging an Land,
Da ließ sein Schiffsvolk weit und breit eine Spur von Blut und Brand!
Der Vogt stieg müde die Wurt herauf zu seines Hauses Tor.
Da stand im frostigen Morgenwind ein fremdes Weib davor,
Der Regen fiel ihr auf Tuch und Kleid und näßte ihr gelbes Haar,
Sie war stark von Schultern und hoch von Haupt. Er wußte nicht, wer sie war.
»Mein Haus steht offen!« der Strandvogt sprach und trat ins Tor voran.
Trien Mannis, sein Weib, das spann am Herd und schaute die Fremde an.
Die stand und summte den Wiegenreim:
»Sien swarte Flagge, weiht in Wind,
Göde Micheel, de segelt geswind –«
Da riß Trien Mannis der Faden ab:
»Hilf Gott! mein Kind, mein Kind!«
Stumm hob die Junge die blasse Stirn, das Feuer beschien sie grell,
Sie sah nicht Vater noch Mutter an, ihr Auge war hart und hell,
Sie wandte den Kopf zur Seite nur, als habe sie nichts gehört,
Und kniete nieder drei Schritte weit, in der grauen Asche am Herd:
»Mir ist ein gottlos Geheimnis kund, das keiner im Lande kennt,
Ich trage heimlicher Schande Last, die heiß wie dies Feuer brennt!
Und darf ich es Menschen nicht vertraun und bindet mich harter Eid –
Du Flamme auf meines Vaters Herd, so klag' ich dir mein Leid!
Herr Gott im hohen Himmelreich, sei gnädig meiner Seel!
Flamme, ich bin eines Mannes Weib, und der Mann heißt: Göde Micheel!
Sein Name ist wie der Name des, der ewig im Abgrund haust,
Es duckt die See unter seinem Kiel und das Land unter seiner Faust!
Seine Tafel ist schwer von silbernem Raub, sein Haus ist stark und fest!
Ich war seiner Beute bestes Stück in dem grauen Strandvogelnest.
Ich sah nach der schwarzen Flagge aus in Furcht und heißer Scham,
Denn sein Kuß war herrisch wie Blick und Schwert, und er fragte nicht, wenn er nahm!
Ich hab' ihn gehaßt die sieben Jahr, dem ich sieben Söhne trug, –
Er lärmt beim Becher und weiß es nicht, daß heut' seine Stunde schlug:
Ich fahre den Weg zu ihm zurück, und mein Wimpel leuchtet weit!
Du Flamme auf meines Vaters Herd, – so hielt ich meinen Eid!«
Sie strich die Asche vom Kleide ab, sie bot nicht Gruß noch Hand,
Sie schritt nur schweigend zur Tür hinaus, den sandigen Weg zum Strand.
Eines Bootes Wimpel wies brennend rot einen Weg über weglos Meer,
Zwölf braune Segel von Westerland stürmten hinter ihm her!
»Was lärmt am Strande das Möwenvolk?« spricht Göde Micheel und lauscht.
»Das ist ein flüchtender Flügelsturm, der über die Dünen rauscht!
Sie kennen der Unsren Ruf und Tritt und fürchten ihr Nahen nicht –
Jan Maat, das kann nur was Fremdes sein, das ihren Frieden bricht!«
»In Teufelsnamen, so laß sie schrein!« sein, Steuermaat lacht, der Jan,
»Es lebe der König der Nordersee! Göde Micheel, stoßt an!
Der Dänen Verheerer,
Der Bremer Vertehrer,
Der Holländer Krüz un Stecken,
Der Hamborger Schrecken –«
Da bricht's in trunkenen Lärm herein und dröhnt wie polternder Schritt,
Von rauher Stimme ein wüster Chor brüllt draußen den Kehrreim mit,
Die Tür fliegt auf, wie mit schwerem Fuß der Strandvogt dagegen trat,
Von stürzenden Tischen trieft der Wein, und der Steuermann schreit: »Verrat!«
Ein letztes Lachen wird Wutgejohl, schon keuchen sie Leib an Leib,
Die Messer blank. – Auf der Schwelle steht, die Arme gekreuzt, ein Weib.
Sie steht in Röcheln und Sterbefluch, kein Zittern fällt sie an,
Des Weibes Augen sind hart und hell und suchen nur einen Mann.
Schlagt tot den Würger, den Strandvogt tot, Männer von Westerland!
Es rinnt ihm über die Stirne schon ein dunkles, rieselndes Band,
Seine letzte Waffe die nackte Faust, zwei Schritt im Nacken der Tod,
Was werden der Frau die Wangen weiß und brannten doch zornig rot?
Göde Micheel, ein Atemzug, und du stehst vor Gottes Gericht!
Was lehnt sie gegen den Pfosten schwer, als trüge das Knie sie nicht?
Ihr Herz ein zitternder Hammerschlag, ihr Blick wird starr und groß,
Schon wirft der Strandvogt von Westerland das Messer empor zum Stoß, –
Da reißt's ihm klammernd den Arm zurück, da drängt's ihm stürmisch vorbei,
Und über Röcheln und Sterbefluch eines Weibes jauchzender Schrei:
»Ich hab' ihn geliebt die sieben Jahr, dem ich sieben Söhne trug,
Meine Stunde, Göde Micheel, schlägt mir, wenn deine Stunde schlug!«
Er sieht sie an. Ihre Wimper zuckt und sinkt vor seinem Blick.
Da lacht er bitter. »Wer ist das Weib? Ich kenne sie nicht! Zurück!
Heran zu mir, wer die Treue hielt und stolz zu sterben begehrt!
Wer Göde Micheel verraten kann, ist seines Todes nicht wert!«
Wenn die Fischerweiber von Westerland barbeinig waten im Schlick
Und unter Kiepe und Krabbennetz keuchen zum Dorf zurück,
Sie biegen seitab vom Dünenpfad und hasten, als ob es brennt,
Wenn Eine ihnen vorüberstreicht, die jeder im Dorfe kennt.
Eine, die wandert ohne Weg im Wind, der die Dünen fegt,
Eine, die Gott gezeichnet hat, – die Ketten des Bösen trägt.
Die Distel ritzt ihr den nackten Fuß, ihre Strähnen fliegen verwirrt,
Ihre hellen Augen sind starr und leer, ihre Seele flattert und irrt.
Sie wiegt sich hin, und sie biegt sich her, als wiegt sie ein Kind zur Ruh,
»Slaap, mien Kind, slaap, mien Kind,
Göde Micheel, de segelt geswind,
Der Dänen Verheerer,
Der Bremer Vertehrer,
Der Holländer Krüz un Stecken,
Der Hamborger Schrecken!«
Sien swarte Flagge, de weiht in Wind.
Slaap, mien Kind ... «
Lulu von Strauß und Torney