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Der Letzte des Geschlechtes

»De ole Stamm verdörrte, eck bün de letzte Tweig,
De edelen grönen Blädder, de wörn all dot un bleich,
Nu bün eck de letzte Büsken in de Grafschaft Schauenburg,
Un bün de letzte Büsken de Lande durch.

Im Saddelhove to Oldendorp satt eck twintig Jahr,
Un drüttig Jahr min Edelmannsitz de Peerdesattel war,
– Nu griep eck nimmermehr tom Sprung in eenes Peerdes Mähn,
Nu schalln min Lehen hebben mine Swiegersähn.

Asche von Kramm schall nochmal tom Weserland ekehrn
Mit Borries von Mönckhusen vom Hove Apelern,
Darto de edelen Herren von de Süntel- und Deister-Lehn,
Se schalln tom letzten Male en Büsken sehn!«

Da kamen angeritten von den Rottorps aus Hülsede Klaus,
Die Marenholtz und Oheimbs, ein Alten und Der von Haus,
Und Stoltzenberg, der treue, Arnswaldt vom Rethemer Moor,
Ein Zerssen und ein Holle und Hake aus Ohr.

Und Jobst von Lenthe drückten die neunzig Jahre nicht schwer,
Er ritt mit sieben Söhnen und Bock von Wülfingen her, –
Sie alle trafen noch einmal beim letzten Büschen zusamm,
Dazu seine Schwiegersöhne Münchhausen und Kramm.

Und vor den Zeugen allen gab Lehen er und Land
Mit allem Zins und Fronen den Söhnen in die Hand.
Dann sprach er: »Ole Sitte was jümmer bi olen Geslecht,
So lat us ole Sitten ok wahren recht!«

Da reichte Jobst von Lenthe den rostigen Helm ihm her,
Anschnallte Alten die Sporen, und Kramm gab ihm den Speer,
So schritt er stark gewaffnet aus dem Sattelhof heraus,
Und stand, ein Heimatloser, vor seinem Haus.

Und stand eine gute Weile auf der staubigen Straße allein,
Dann holten ihn zu Gaste seine Söhne und Töchter herein,
Sie saßen zum Mahle nieder, Klaus Büschen den Becher nahm,
»So drink eck tom letzten Male up ju alle tosam!

Eck drink up usen Grafen, for den mine Lanzen eck brok,
Wi hed em Tru' eholen, hei heeld de True ok,
Eck drink up mine Buern, – un up das letzte Blatt,
Dat sick am olen Stamme gelockert hat!«

Das letzte Blatt gelockert, der Alte fühlt es recht,
Es ging mit ihm zu Ende und mit seinem Geschlecht,
Noch sechsmal sah er am Süntel golddunstig den Frührotschein,
Dann schloß er die Augen, er mochte wohl müde sein. – – –

Die Klosterglocken von Fischbeck wandeln die Weser entlang
Und grüßen im Nebel droben den Lachemer Glockenklang,
Die Glocken von Oldendorf wimmern, – 's ist wie ein Sterbeschrei,
Sie setzten den letzten Büschen in Fischbeck bei.

Der Nebel taut, als weine die kühle Oktoberluft,
Hoch steht des Landes Adel um die alte Gruft,
Zum letzten Male hob sich darüber der mächtige Stein,
Die Nonnen sangen ihr letztes Requiescat hinein.

Und Assa Kramm sprach leise den Spruch darüber her:
»Büsken, hüt noch eenmal, von hüt an: Nimmermehr!«
Borries Münchhausen spellte mit dem Schwerte den Schild entzwei,
Der silbernen Lilie Sommer war nun vorbei. – –

Die Rosse schnoben im Dunste, die Weser rauschte fern,
Die breiten Hände reichten sich stumm die edlen Herrn,
Zur Heimat ritten sie schweigend in den rieselnden Nebel hinaus, –
Der einsame letzte Büschen war auch zu Haus.

Börries, Freiherr von Münchhausen

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