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Christians Ende

(Wolfenbüttel 1626)

Fenster verhangen, der Kerze Licht
Spärlich ins Dunkel gegossen,
Auf den Linnen ein fahl Gesicht,
Schwer die Lider geschlossen.
Nur zuweilen, wie Fünkchen spät
Sinkende Asche durchrispeln,
Über die Züge ein Leuchten geht,
Von den Lippen ein Lispeln:
            Alles für Gott und für sie!

Dem das letzte Lorbeerblatt
Längst vom Scheitel gerissen,
Christian von Halberstadt
Liegt auf den Sterbekissen;
Müd gehetzt und matt gesetzt
Hier im Väterschlosse,
Einst ein Held des Schreckens, jetzt
Kinderspott und Posse –
            Alles für Gott und für sie!

Drauß vor den Wällen läßt der Ligist
Seine Kartaunen dröhnen,
Gleich als wollt' er in letzter Frist
Noch den Gefallenen höhnen.
Doch durch des Kranken fieberndes Hirn
Wirr bei den dumpfen Schlägen
Schatten gestorbener Hoffnungen schwirrn,
Taten und Träume sich regen:
            Alles für Gott und für sie!

Wieder zu Roß – im Sonnenschein
Wie die Geschwader blitzen!
Hussa, im Sturmritt drauf und drein
Über die Pikenspitzen!
»Schmolz auch der Haufe zusammen wie Wachs,
Unser ist die Viktori!
Gib deinen Degen, bayerischer Max!
Kriegstrophäen und Glori,
            Alles für Gott und für sie!

Will mir keiner mehr stehn im Feld?
Feig verlaufen Gesindel!
Auch der Liga großmächtigster Held
Hockt zum Münchner Kindel! –
Welfenstadt, läßt du den Welfen nicht ein?
Blitz, das soll dich gereuen!
Feuer und Eisen – der Dom allein
Künde die Spuren des Leuen!
            Alles für Gott und für sie!

Ha, wie kommt es gesprengt und gerannt,
Bauern und Jäger und Fergen:
Gruß euch, Brüder, aus böhmischem Land,
Gruß dir, Volk von den Bergen!
Dräue nur, trutziger Stephansturm,
Prahle nur, welsche Armade –
Morgen die Feldschlacht, morgen der Sturm!
Heute, nur heute noch Gnade!
            Alles für Gott und für sie!

Feld gewonnen und Stadt zumal,
Alles – alles gewonnen!
In der Hofburg düsterm Portal
Leuchtet's wie sieben Sonnen:
Herrin über Seele und Sinn
Prangt sie daher auf dem weißen
Tanzenden Roß – nicht Königin,
Kaiserin sollst du heißen!
            Alles für Gott und für sie!

Hin zu den Füßen der Majestät
Laß mich den Mantel spreiten –
Träum' ich? – Du winkst mir? – Elisabeth!
Leer der Platz dir zur Seiten? ...«
Auf wie ein Pfeil – und nieder wie Blei,
Jäh, wie Sterne fallen,
Und der letzte Jubelschrei
Ein zerbrochenes Lallen:
            »Alles – für Gott – und für sie!«

Wilhelm Brandes

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