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Kord Dorings Schuld

(Braunschweig 1374)

»Weh, Kord Doring, wehe! Schicht und Waffen!
Arge Saat hat ärgre Frucht geschaffen!
Wüste Ungewalt ist losgebrochen,
Rauscht von Haus zu Haus mit Drohn und Pochen;
Allvoran die alten Stadtverderber,
Ludke Ekermann und Klaus der Gerber;
Hinterdrein wie fahle Hagelschauer
Zieht die grimme Armut von der Mauer; –
Du, zum Fürsprech oft dem Volk erlesen,
Bannst mit einem Wort das irre Wesen!«
      Doch Kord Doring zwirnt den Bart und spricht:
      »Narr, was dich nicht brennt, das blase nicht!
      Laß es gehen, dem üppigen Junkerblut
      Tut ein Stündlein Angst und Reue gut!«
            Wehe, Kord Doring!

»Weh, Kord Doring! Drüben steigt die Flamme
Giebelan bei Tilen von dem Damme!
Qualm und Glut durchstürmt die tolle Meute,
Rafft und schleppt und schlägt sich um die Beute.
Aus dem eignen Haus gleich einem Ächter
Floh das greise Haupt der Ratsgeschlechter,
Und mit Lästerred' und Mordgeschossen
Schnaubt ihm nach der Schwarm der Schichtgenossen;
Zorn und Feuer lodern um die Wette –
Rett, Burgemeister, rette, rette!«
      Doch Kord Doring spottet sonder Harm:
      »Mir wird Wand und Rücken noch nicht warm!
      Heute brenne, was da brennen mag,
      Morgen ist zum Löschen auch ein Tag!«
            Wehe, Kord Doring!

»Weh, Kord Doring! Blut vor meinen Blicken!
Blut in meiner Kehle zum Ersticken!
Bürgerblut, von Bürgerhand vergossen –
Rauchend schießt die Flut zutal die Gossen!
Brun von Gustedt liegt am Markt erschlagen,
Seine Burgemeister würgt der Hagen,
Hennig Kramer, der zu steuern glaubte,
Fiel am Papenstieg, die Bart' im Haupte:
Wanne! Alter niederdeutscher Droh- und Warnungsruf über dich wird dieser Frommen
Klagend Blut am Jüngsten Tage kommen!«
      Und Kord Doring wurde weiß wie Lein,
      Auf die Seele sank ein Mühlenstein:
      »Waffen her, ich tue, was ich kann!
      Waffen her, ich bin des Rates Mann!«
            Wehe, Kord Doring!

»Weh, Kord Doring, dir! Die Buben nahen
Und dich selber trachten sie zu fahen!
Wähne nicht mit Worten mehr zu stillen,
Die in Blut berauscht den frevlen Willen!
Horch, dein Name, den sie einst gesegnet,
Deutet Tod, wie er dir jetzt begegnet!
Sturmverweht sind Huld- und Treueschwüre:
Flieh! – Den Gang hinab zur Mauertüre!
Du verweilst? Du trotzest dem Verderben? –
Hoffst du Gnade? – Nein?! – So willst du sterben?«
      Und schon klirrt's und stampft und brüllt herauf,
      In die Halle drängt ein wilder Hauf. –
      Eh des andern Tages Sonne schwand,
      Sah sie auf ein blutig Haupt im Sand!
            Wehe, Kord Doring!

Wilhelm Brandes