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Das Märchen von der schönen Mete

Wer ist so schön, wie das schöne Metelein?
Es neigen sich vor ihr alle Blumen am Rain.

Alle Mädchen im Land haben Haar wie reifes Stroh,
Doch der schönen Mete Haupt brennt wie Flammen lichterloh.

Es sprach des Schulzen Sohn: »Wer lacht den ganzen Tag
Viel süßer, als die weißen Tauben im Schlag?

Ich hab manch Garn gelegt heimlich im Frührotschein,
Heut will ich fangen das schönste Vögelein!

Ich fang es nicht mit Schlingen und nicht mit Ruten ein,
Ich fang es mit einem goldroten Ringelein.« –

Und als die schöne Mete zur Bleiche ging,
Auf ihren weißen Finger streift er den goldnen Ring.

Er herzte und er hielt sie in seinem Arm.
Da sprach die schöne Mete: »Daß Gott erbarm!

Als euer Tor gebaut, beim letzten Hammerschlag
Ein klein nackt Kind auf des Schulzen Diele lag.

Du bist sein Sohn und Erbe, ich bin ein Findelkind, –
Nimm du dein goldnes Ringlein zurück geschwind!«

»Ich wiegte dich und trug dich, als ich ein Junge war,
Strählte mit ungefügen Fingern dein wirres Haar.

Und würde deine Mutter eine Hexe sein,
Du wunderschöne Mete, dich nur will ich frein!«

* * *

Als die schöne Mete ihr Kind zur Taufe trug,
Der Großknecht am Tore die Maien anschlug.

Da flogen die Späne, vom Astloch flog der Keil,
Da schrie die schöne Mete, als träfe sie ein Pfeil.

Sie sank in die Knie, sie raufte ihr Haar.
Man nahm ihr das Kind, sie ward es kaum gewahr.

Sie hielt am Ohre lauschend die weiße Hand,
Sie sprach: »Wie läuten die Glocken süß im Elfenland!

Und wenn ich jetzt noch eine Jungfrau wär,
So käme ein schneeweißes Roß daher.

Und trüg ich keinen Ring, und hätt ich keinen Mann,
So spräng ich in den Sattel und ritte von dann'!

Und hätt ich kein Kind, das nächtens nach mir weint,
Dann jagt ich mit den Wolken, wenn der Vollmond scheint!

O weh mir, daß ich eines Menschen Liebste war,
O weh mir, daß ich ihm ein Kind gebar!

Der Bann ist gebrochen, nun kommen sie all,
Schon hör ich der silbernen Hörner Schall.

Sie reiten und sie singen in ew'ger Fröhlichkeit,
Sie kennen keine Liebe, sie kennen kein Leid. –

Ich arme Mete, was soll ich tun?
Nun kann ich nirgends mehr rasten noch ruhn.

Es ist mein Tod, muß ich von euch gehn, –
Und habe doch der Schwestern grünfunkelnde Augen gesehn!« –

Sie hob sich von den Knien, sie schritt zum Tor,
Da schob ihr Mann den Riegel davor.

Er hielt sie in den Armen, sie wehrte sich und schrie.
Zu einer brennenden Garbe wurde sie.

Er sprach: »Ich laß dich nimmer, wie schrecklich du auch bist,
Nun lerne, weiße Elfin, was Liebe ist!«

Er hielt das wilde Feuer, das brannte ihn heiß,
Das Feuer ward zu Wasser, das Wasser ward zu Eis.

Er hielt die Todeskalte, er ließ sie nicht los,
Da ward sie zur Schlange, bunt und riesengroß.

Und als er sie zwang, die sich um ihn wand,
Die wunderschöne Mete wieder vor ihm stand.

Da huben die Glocken im Dorf zu läuten an,
Die schöne Mete sprach: »Wo ist mein liebster Mann?

Wo ist mein kleines Kindlein? Mir träumte wirr und schwer,
Daß ich ferne von euch im Elend wär.« –

Sie traten vor das Tor, sie schritten Hand in Hand.
Sprach Mete: »Wie läuten die Glocken lieblich im Heimatland!« –

Agnes Miegel

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