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Ich bin des dreifachen Todes wert
Und werde sterben müssen,
Ich will das blanke Henkerschwert
Mit blutigen Lippen küssen. –
Ihr Haar war blond, und sie hieß Kathrein,
Sie lachte, wenn sie küßte,
Weiß sind die Quadern von Baumbergstein,
Weißer noch ihre Brüste.
Mein Blut ward Feuer, sah sie mich an,
Weiß Gott, es muß mich reuen,
Ich hab sie entführt dem fremden Mann,
Ich, Jürgen van der Leyen. –
Mein Wagen hielt im Wald am Tor,
Und als sie kam im Dämmern,
Da kochte mein Blut und rauschte im Ohr
Und wollte mein Herz zerhämmern.
Sie stieg zu mir, und ich habe mit Macht
Mit der Peitsche die Gäule getrieben –
Dann sind wir die ganze Septembernacht
Mund auf Mund geblieben.
Sind über die Lippe im Mondenschein,
Die Ruhr gen Morgen gekommen,
Erst andern Abends in Köln am Rhein
Haben wir Herberg genommen.
Zu Köln am Rheine war Kirchweihtag
Und Lärm in den Herbergstuben,
Das Kasperle schrie, und der Sittich sprach,
Und es rauften und johlten die Buben.
Mir war so angst, mir war zu Sinn,
Als sollte der Büttel mich packen:
Und das Weib schritt lächelnd neben mir hin,
Die goldenen Flechten im Nacken.
Dann kam die Nacht, und am andern Tag
Fuhren wir weiter beide,
Und wir kamen, die gen Westen lag
In die unendliche Heide.
Und die Heide war rot – das war ein Blühn!
In die Räder nickten die Blüten,
Der Himmel war heiß, und die Sonne schien,
Es war ein Sengen und Brüten.
Kein Lufthauch strich, kein Feldhahn rief,
Nur da und dort eine Fichte –
Und ich sah das Weib, das neben mir schlief,
Ein Lächeln auf dem Gesichte.
Und ich dacht an mein Haus mit dem Giebel hoch,
Mit dem Gärtchen am Tor verschwiegen,
Das Weib, das lächelnd den Gatten betrog,
Auch mich wird sie lächelnd betrügen.
Zu ihrem Spiel und Zeitvertreib
Hab ich Haus und Heimat verlassen,
Ich sah sie an, und ich haßte das Weib,
Wie nur der Wahnsinn kann hassen.
Ich sehe noch heut meine zitternde Hand
Und hör meines Herzens Pochen,
Ich hab durch das blaue, leichte Gewand
Den Dolch in ihr Herz gestochen.
Sie schrie nicht, sie sprach nicht, sie stöhnte nur leis.
Halb lächelnd ist sie verschieden,
Und wieder fühlte ich glühend heiß
Das Blut in den Adern sieden.
Ich riß ihr am Kleid – daß Gott sich erbarm,
Ich mußte sie packen und küssen,
Ich hab in den nackten, toten Arm
Mit zuckenden Zähnen gebissen.
Ich hab sie gelegt in das Heidekraut
Und wild auf die Gäule gehauen,
Nicht einmal des Weges zurückgeschaut,
So saß mir im Nacken das Grauen.
Und dann auf einmal erblickt ich es nahn,
Ein Wagen, ein Häuflein Reiter,
Ich duckte den Kopf auf den Wagenplan:
Vorbei nur und weiter und weiter ...
Da plötzlich sah ich, ich kannt' ihn am Kleid,
Die Zügel kaum hielt mehr die Rechte:
Das ist mein Nachbar, der rote Veit,
Und die andern sind Münstersche Knechte!
Sie kommen von Wälschland mit rotem Wein –
Herr, sieh mich Sünder flehen!
Ich will mich geißeln und blutig kastein,
Wenn sie vorübergehen.
Und ich hielt ein Tuch vor mein blasses Gesicht,
Da hör ich den letzten schreien:
»Maria Joseph, kennt ihr den nicht?
's ist Jürgen van der Leyen!«
Ich hab auf die beiden Pferde gehaun,
Daß die Speichen im Rade zerbrachen.
Ich bin gekommen im Abendgraun
An das eiserne Tor von Aachen ...
Der Turm in Aachen ist tief und feucht,
Das Wasser hängt an den Quadern,
Mein Herz schlägt stockend und müde schleicht
Das Blut durch meine Adern.
Schwer ist und grausam der Menschen Gericht,
Und elend, wen sie trafen,
Ich bange vor Gott im Himmel nicht,
Er kann nicht härter strafen.
Ich bin des dreifachen Todes wert
Und werde sterben müssen –
Doch will ich das blanke Henkerschwert
Mit blutigen Lippen küssen.
Levin Ludwig Schücking