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Der Feierabend geht durchs stille Feld,
In Frieden liegt des Hofes kleine Welt.
Sie sitzen alle um den Eichentisch,
Die Alten müd, die Jungen frisch und risch.
Die Bäuerin und ihr Ältster obenan,
Dienstleute nach dem Range: Knecht und Magd. –
Nur einer fehlt, der Bauer, Gott sei's geklagt!
Der hat zu viel geschuftet und geschafft,
Die Arbeit fraß der Knochen zähe Kraft.
Er sitzt im Stübchen drinnen stumpf und still
Und wartet, ob der Tod nicht kommen will.
Man löffelt mit Bedacht und spricht nicht viel;
Arbeit und Essen ist kein Kinderspiel! –
Da ruft der älteste Sohn dem Großknecht zu:
»Fernand, mak hill,
schnell dien junge Fru
Ward fuchtig, wenn dat we'er sau lange duurt,
Se sitt alleen in ›lüttjen Huus‹ un luurt!
Nu dalli, Kierl, dien säute Hann
Verlangt na öhren Mann!«
Der Knecht wird rot und sieht verlegen drein,
Blickt in des Krüsels gelblich-matten Schein, –
Dann auf die Wand, – dann auf das Fenster klein,
Das auf die dunkle große Diele geht,
Wo rechts und links das Vieh an Krippen steht.
Schaut müßig, – aber plötzlich, wie gebannt,
Schirmt er die Augen mit der rechten Hand
Und springt empor vom Stuhl, der niederkracht. –
Was sieht er in der Diele dunkler Nacht?
Die Stirne streicht er, wie vom Traum verwirrt;
Sein Auge zwischen Tisch und Fenster irrt,
Geht fragend dann die lange Reihe rund,
Doch nur ein Lächeln zuckt um jeden Mund.
Jetzt ruft er heiser: »Lüe, seih't ji 't nich?«
Ein Scharrn und Rücken, sie erheben sich,
Von allen Seiten drängen sie heran:
»Wat giff'ste an?«
»Wat sühste denn?«
»Wo kickt' he hen?«
Der Erbe ruft: »Nun segg' doch man, wat is't?«
Der Knecht wird aschenfahl: »T' is nist!
Dat was mick sau, as härr' ick wat ehürt,
As härr' en Beist sick in'er Käe vertürt.
Taum Deuker
Teufel ok, wat hew' ick mick verjaagt!«
Die Großmagd hebt den Teller auf und sagt:
»Na wutte noch wat?«
Er schaudert: »Ick – un noch äten?
Ji schüll 't man weten!
Mick eiset. Ick bin satt!
Ick hew' enaug ehatt!«
Der Hütejung flüstert: »De Kierl is dull!
Wenn ick mick sau grad verfieren wull!
Rieke, – mick noch 'en Teller vull.«
Der Großknecht geht gesenkten Haupts hinaus
Und wandert wie im Traum zum »lüttjen Haus«.
Ein Käuzchen in den Eichen lacht und schreit.
Da hemmt er seinen Schritt
Und sagt für sich: »Ja, du mit dien Kiwitt!
Du kannt nist mellen, wat ick nich beter weit!«
Dumpf durch die Tenne schleift sein schwerer Fuß,
Ins helle Stübchen tritt er ohne Gruß.
Die junge Frau, rotbackig, rund und drall,
Sieht ihn verwundert an: »Na, kummste all?
Wat gung dick denn da buten wedder quer?
Siehst ut as seben Dage Regenweer!«
Er blickt zur Seit und sagt: »Schell
schimpfe man nich sau,
Hör' ierst mal tau!
Is dien Sündageskleed un dien Abenmalsstaat
Heil un parat?
Is mien Vorhemd un mien Kragen rein?
Use Buur starwt hüt Aben;
Ick hewwe sien Vorlaat esein:
In drei Dagen ward hei begraben!«
Die Frau schreit auf: »Wat? Wat is dat?«
»Ja, as ick an Dische satt un att,
Da wurd dat sau licht un gluh op'er Däl,
Drei Lichter brennen un blänkeren geel,
Un de Schien de blönkere op dat Sark.
Dat sach kein een
As ick man ganz alleen!
Mick geiht dat noch dör Knaken un Mark!
Dat drippt den Buurn! Gib man Acht!
De hat hüt sine leste Nacht!«
Jetzt wird die Hanne ärgerlich und grob:
»Ick glöw, du bist nich richtig in'n Kopp!
Wenn 't wahr ward, denn sau geiht dick dat slecht!
Ick wull een Kierl, sau'n richtigen Knecht,
Ick mag keinen Spökenkieker taun Mann!«
Und dann fängt sie zu weinen an.
* * *
Der Frühlichtschein liegt überm Heideland,
Der Knecht hat schon die Pferde angespannt.
Und fährt behutsam, keine Peitsche knallt.
Am »lüttjen Huse« macht er kurzen Halt.
Die dralle Hanne steht am Zaune schon,
Sie lacht vergnügt und ruft mit leisem Hohn:
»Man good for dick un mick, grote Prophet,
Dat ick man bloot von dien Prophezeien weet!
De Buur is wach – un – is nich slechter as süs!
Laat man dien Spökenkieken na;
Wutte nah wat kieken, bin ick'r tau da!
Nu jüh – un adjüs!« –
Ein Lachen auf den Weg, und Fernand brummt:
»Ick weit, wat ick weit un – wat komen schall, kummt,
T' is Morgen, un de Arbeit geiht erst an –
Un de Dood is ok man een Arbeitsmann!«
Eine halbe Stunde vergeht – da trottet im Schritt
Das Gespann auf den Hof, – kein Fernand kommt mit.
Der liegt im Graben draußen am schattigen Knick
Tot, mit gebrochenem Genick.
Drei Tage voll Not und Klage, und der schwarze Sarg steht da,
Wo ihn das helle Auge des Toten als Vorspuk sah.
Und der Bauer, den er als Schläfer drinnen im Schrein gemeint,
Sitzt gebückt an der Bahre, seufzt und klagt und weint.
Sieht, was jener gesehen: dreier Kerzen zitternden Schein,
Sieht ihn blänkernd gehen über den schwarzen Schrein. –
Der das unirdische Licht sah drei Tage vorher,
Schläft und sieht kein Licht dieser dunklen Erde mehr.
August H. Plinke