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Die rote Rune

Bleede Bluthand sprang von des Schiffes Rand,
Seine Mannschaft hinter ihm drein;
Und er sah nach dem grünen Marschenland,
Und er wog das Schwert in der schwieligen Hand
Und begann ein Lied, und wer bei ihm stand,
Der fiel voll Freuden ein.

»O du Rune rot, o du Rune fein,
O du Rune so rot wie das Blut;
Rote Runen werden am Himmel sein,
Rote Runen trocknen am Schwerte mein,
Rote Runen schenk ich dem Mägdelein,
Daß es weiß, wie das Lieben tut!«

Der Tage sieben gingen vorbei,
Sieben Dörfer standen in Brand;
Und die Luft war voll Rabengeschrei,
Und der Wolf vergaß, was Heißhunger sei;
Denn die Wikinger sangen die Blutlitanei
Die Kreuz und die Quere im Land.

Es kam die Nacht auf den siebenten Tag,
Bleede Bluthand lag und schlief;
Ein blutjung Mädchen im Arme ihm lag,
Ihr Vater starb durch des Schwertes Schlag,
Ihrer Mutter Herz vor Entsetzen brach;
Bleede Bluthand schlief ruhig und tief.

Und es schlich herbei, und es kroch heran,
Das nackende Messer im Mund;
Und es würgte die Schildwachen Mann für Mann,
Und der Meerwölfe Herzblut im Sande zerrann,
Unehrlichen Strohtod jedweder gewann,
Der da schnarchte im grasigen Grund.

Bleede Bluthand schlief und atmete schwer,
Denn ein Nachtmahr brachte ihm Not;
Das Schiff gehorchte dem Steuer nicht mehr,
Tote Männer schwammen neben ihm her,
Die Wellen, die gingen die Kreuz und die Quer,
Und vom Ufer her lachte der Tod.

Bleede Bluthand stand vor dem großen Stein,
Und die Bauern hielten Gericht;
Und das bei ihm geschlafen, das Mägdelein,
Das stieß ihm den Dolch in die Augen hinein,
Nahm das Sonnenlicht ihm und den Mondenschein,
Und spuckte ihm in das Gesicht.

Und sie banden ihn in sein Drachenboot
Und stießen's hinaus in die Flut;
Und sie sangen das Lied von der Rune rot,
Von der Blutrune Lust und von der Blutrune Not,
Drei Runen sie riefen ihm nach in den Tod,
Drei Runen so rot wie das Blut:

»O du Rune rot, o du Rune schön,
O du Rune so rot wie das Blut;
Rote Rune soll der Wind dir wehn,
Rote Rune soll dein Auge sehn,
Rote Rune sei dein Sterbegestöhn.
Daß du weißt, wie das Lieben tut.«

Hermann Löns

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