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Welche gebildete Hausfrau will nicht ein schönes Heim ihr eigen nennen, wo sie mit Freude und Stolz Umschau halten kann, wo sie hier noch verbessern, dort einen Gegenstand verzieren kann, bis der Verwirklichung eines schönen Heims nichts mehr im Wege steht. Dieser Wunsch ist wohl tief in jeder Hausfrau Herz eingegraben, und doch denkt manche, daß nur Luxusgegenstände ein Heim wirklich schön machen; die einen können sich solche leisten, andere dürfen solche nur aus der Ferne ansehen und – seufzend verzichten. Und doch ist es ein großer Irrtum, zu glauben, daß in diesen Gegenständen allein die Schönheit beruht; nur ein Gerät, das ein Gefühl der Zweckmäßigkeit erweckt und dabei zierlich ist, ist schön. Denn die sparsame, schönheitsliebende Hausfrau darf ihre Gedanken nicht sinnlosen Luxusgegenständen zuwenden, ihr liegt es ob, vor allen anderen Dingen Nützliches, Praktisches und Schönes zu vereinigen, und dieses, harmonisch geordnet, bildet erst ein schönes Heim. Ein Zimmer soll auch als ein zusammenhängendes Ganzes betrachtet werden, wo alles, Farben und Formen, im Zusammenhang wirken müssen, wo die Hauptsache hervorgehoben und die Kleinigkeiten hübsch geordnet sind. Die Begüterten, die einen Luxusgegenstand nach dem anderen erstehen, weil er schön ist, geben ihren Zimmern das Gepräge eines Museums, einer Ausstellung, wo allerlei zu finden ist, Wertvolles, Schönes und Nützliches, in Rokoko-, Empire- und Jugendstil. Aber diese Räume entbehren für einen tieferen ästhetischen Blick die wirkliche Schönheit, die nur da zu finden ist, wo ein symmetrisches Ganze herrscht. Der Anblick dieser Herrlichkeiten erweckt wohl ein gleiches Gefühl, wie ein kostbares Kleid, das aber mit allerlei bunten, wenn auch ebenso kostbaren Zierraten überladen ist, daß selbst die Frau, die wenig oder gar keinen Schönheitssinn hat, sagen würde: »Wie häßlich, solches Kleid.«
Die Ausschmückung des Heims liegt der Hausfrau ob, und diese kann so unendlich viel dazu beitragen, ihm ein wirklich schönes Gepräge zu geben. Vor allem herrsche Einfachheit dort, wo die Mittel nicht ausreichen, nur Schönstes und Bestes zu kaufen. Die Frau soll über ihre eigenen Anordnungen nachdenken und sich bei jeder Wahl eines Gegenstandes fragen, ob er Stil hat, ob er seine Aufgabe erfüllt. Sie bringe nicht so viele kleine mit Schleifchen und Pompons verzierte Schmuckstücke in einen Raum; sie wirken unschön. Sie hänge keine künstlichen Blumen und Gräser an Etageren und Spiegel, sie ahmen ja nur die Freudigkeit und Frische nach, was die lebende Blume, und ist es auch nur die schlichte, einfarbige Wiesenblume, in Wirklichkeit mitteilt. Und ist es auch nur ein Zweig von herbstrotem Laub oder jungen Maienkätzchen im Frühling, sie zieren immer ein gemütliches Heim und teilen ihm die ganze Glückseligkeit der Frische mit, die in der Natur herrscht. So gibt es tausend Dinge, die berücksichtigt werden müssen, und die mit Schönheitssinn begabte Frau muß ernstlich über alle nachdenken, dann erzielt sie das, was so viele wünschen und wenige voll und ganz besitzen – ein schönes Heim.
M. Schifferings.