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Beim Dienstbotenwechsel.

Es ist eine leider nicht zu leugnende Tatsache, daß unsere Dienstboten ein Nomadenleben führen. Eine kleine Verstimmung ist oft die Ursache der schnellen Kündigung. Mit Recht graut der Hausfrau stets vor dem »Einrichten einer Neuen«. Ja, aller Anfang ist schwer, für das Mädchen wohl noch schwerer als für die Herrschaft, wenn man bedenkt, daß in jedem Haushalte die Verhältnisse anders liegen. Wie kann ein junges Mädchen gleich herausfühlen, wie die neue Herrin die Arbeit verrichtet haben will, wie es sich seiner Herrschaft gegenüber zu benehmen hat? Es wäre verkehrt, dem jungen Dinge gleich in den ersten Tagen beständig Vorträge über seine Pflichten zu halten. Manches Mädchen wird dadurch gleich so verwirrt, daß es nichts behält. Man hüte sich auch, zu oft seine Verwunderung darüber auszudrücken, daß das Mädchen das oder jenes nicht weiß. Das entmutigt und führt zu Verstimmungen. Ich halte es für angebracht, hier mit Worten zu sparen. Ich übergebe meinem Dienstmädchen beim Antritt zwei Schriftstücke, indem ich etwa sage: »Hier ist die Hausordnung. Darin steht, wie Ihre Zeit und Ihre Arbeit eingeteilt werden soll. Alle Arbeiten, die ich von Ihnen verlange, werden in der Regel zur bestimmten Zeit ausgeführt, wie es hier aufgeschrieben ist. Tritt eine notwendige Änderung ein, so besprechen wir das zusammen. Was auf dem 2. Zettel steht, werden Sie jedenfalls schon wissen, aber bitte, lesen Sie es sich einmal durch und richten Sie sich danach.« Dieser Zettel enthält alles, was ich von äußeren Manieren meines Dienstmädchens verlange, z. B. »Sie haben Ihre Herrschaft stets in der 3. Person anzureden (z. B. Nimmt Herr N. N. heute Besuch an?) Wenn Sie in das Zimmer kommen, etwas zu melden oder Speisen hereinzubringen, müssen Sie stets eine helle, saubere Schürze umhaben. Sie haben um alles höflich zu bitten, für alles Empfangene zu danken. Haben Sie etwas zerbrochen, so ist es Ihre Pflicht, es sofort zu sagen und sich zu entschuldigen. Es darf in unserem Hause nie eine Unwahrheit gesagt werden. Sie haben sich nicht um andere Hausbewohner zu kümmern, nichts Nachteiliges von ihnen zu berichten, noch mit anderen Mädchen über Herrschaften zu sprechen« usw. So erspare ich mir von vornherein manches Wort, dem jungen Mädchen manche Demütigung und erleichtere uns beiden das gefürchtete Einrichten.

Frau Prof. Tietze.


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