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Ich habe mich oft darüber gewundert, daß Hausfrauen, die in vielen Beziehungen sehr praktisch sind und die sich selbst für Muster an weiser Sparsamkeit halten, oft doch nicht imstande sind, die letztere von einer falschen Sparsamkeit zu unterscheiden. Als solche erscheint mir die außerordentliche Scheu vor der verhältnismäßig geringen Ausgabe einer Droschke in Fällen, wo eine solche wirklich dringend nötig wäre. Im letzten Herbst und Winter hat es außerordentlich viel geregnet, und in einigen Monaten kam ein kalter Schnee dazu, der sich sofort in Wasser auflöste und die Straße in eine große Pfütze verwandelte. Wenn stundenweise die Sonne schien und man sich verleiten ließ, ohne Regenschirm und Überschuhe auszugehen – da letztere die Stiefel empfindlich ruinieren, so vermeide ich sie gern, sobald es irgend möglich ist – so wurde man sicher durch Unwetter überrascht und regnete in Geschäften, bei Besuchen, Gesellschaften, Konzerten usw. ein. Dazu gesellte sich dann meistens heftiger Wind, der das Öffnen eines Regenschirms schwer oder unmöglich machte. Bei solchen Gelegenheiten zögere ich nie, mich der nächst erreichbaren Fahrgelegenheit zu bedienen und weiß, daß ich dadurch beträchtliche Ersparnisse erziele. Ich schone meine Röcke, Kleider und Stiefel, und verhüte das Zerbrechen und Zerreißen meines Regenschirms, worüber ich häufig Klagen und humoristische Darstellungen von Situationen, bei denen das Umklappen des Schirmes eine Rolle spielt, unter meinen Bekannten höre. Aber nicht allein hinsichtlich meiner Toilette handle ich vorteilhaft durch Befolgung meines Prinzips, da kommt noch ein viel wichtigerer Punkt in Betracht: die Gesundheit. Wenn man in heißen, mit Menschen an- und überfüllten Räumen sich stundenlang aufgehalten hat, dann wird man so warm, daß der erhitzte Körper einer Erkältung den dankbarsten Herd bietet.
Wir hatten neulich eine Vorstellung von lebenden Bildern und festlichen Reigen, die bis in die Nacht hinein dauerten. Darauf folgte gemütliches Beisammensein. Das Wetter war schauerlich, und ich hatte mir, da die Entfernung des Festsaals von meinem Heim etwa 20–25 Minuten scharfen Gehens in Anspruch nimmt, eine Nachtdroschke bestellt, die freilich drei Mark kostete. Diese zu solchem Zweck auszugeben, ist ja zunächst nicht angenehm. Ich hatte gehofft, einige recht dankbare Teilnehmer zur Rückfahrt zu finden, wodurch sich ja die Ausgabe für jeden derselben nicht hoch gestellt hätte, aber ich fand keine Gesinnungsgenossen. So fuhr ich denn allein durch das Unwetter nach Hause. Die Folge davon war, daß ich keine üblen Folgen, keine Toilettenschäden, keine Gesundheitsstörungen zu verzeichnen hatte. Dagegen klagten nachher fast alle Teilnehmer bei gelegentlichen Erkundigungen über Erkältungen, Influenza usw., die sie dem genossenen Vergnügen verdankten. Da hatten sie Ausgaben für Arzt, Apotheker, Haus- und Stärkungsmittel gehabt, zu denen die von mir verausgabten drei Mark in keinem Verhältnis standen. Außerdem blieben mir eben Gesundheits- und Berufsstörungen fern, Verstimmung und Langeweile, die Begleiterinnen von langweiligen Erkältungszuständen, kurz, ich kann aus eigenster Erfahrung raten, daß alle Herrschaften, die Sinn für richtige Sparsamkeit haben, diesen Punkt einmal ernstlich in Erwägung ziehen. Die Auslagen, um die es sich in diesem Falle handelt, werden tatsächlich sehr bald eingebracht.
Elise Krüger.