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»Sei sparsam!« ruft der Mann seiner lieben Ehehälfte zu, »du weißt, daß mein Einkommen gering ist, auf die Zukunft muß Rücksicht genommen werden, für Krankheitsfälle muß ein Notgroschen vorhanden sein!«
Ach ja, denkt die vielgeplagte Hausfrau, welche Mühe gebe ich mir nicht, alles praktisch und zugleich doch sparsam einzurichten! Ich habe mir das Buch »Sei sparsam« gekauft und in ihm einen guten Ratgeber für alle wirtschaftlichen Lebenslagen gefunden. Mein Mann verlangt zu viel, immer will er Abwechselung im Essen haben, und das Beste und Teuerste ist ihm gerade gut genug. Hätte ich meinen Ratgeber »Sei sparsam« nicht, wüßte ich überhaupt nicht aus noch ein.
Ich möchte in dem bewährten Ratgeber »Sei sparsam« hiermit auf ein Nahrungsmittel aufmerksam machen, das vielfach in Vergessenheit geraten ist. Es ist dies die Buttermilch. – »Buttermilch!« ruft mancher verächtlich aus, »das ist was für arme Leute! Buttermilch ist für uns auch schwer zu bekommen!« Letzterer Behauptung möchte ich gleich widersprechen. In jeder guten Milchhandlung ist auch gute Buttermilch zu haben. Als Nahrungsmittel ist sie unvergleichlich; sie ist eben ein verkannter Freund des Menschen. In Irland, wo die arme Bevölkerung fast ausschließlich von Kartoffeln und Buttermilch lebt, sind die Leute stark und kräftig. Die Kartoffeln bewirken das nicht, nur die Buttermilch. Sie enthält außer dem Wasser die Nährsalze der Milch, Milchzucker und den die Verdauung und Ernährung fördernden Käsestoff, etwas Fett und viele Milchsäure. Wie kühlend und erfrischend ist im Sommer ein Glas Buttermilch! Wieviel besser löscht es den Durst als das erhitzende Bier. Wir trinken mindestens zweimal in der Woche abends statt des üblichen Bieres Buttermilch, bereiten daraus auch eine Kaltschale, indem wir unter tüchtigem Umrühren Zucker, etwas Zitronenschale, geriebenes grobes Brot und Korinthen in die Buttermilch tun. Man versuche dies köstliche Getränk. Die Kinder können meist nicht genug davon bekommen, und wie billig kann man es herstellen! Ein Liter Buttermilch kostet in einer kleinen Stadt 5, 6 und 7 Pfg., in der Großstadt vielleicht etwas mehr.
Habe ich etwas Buttermilch übrig behalten, so rühre ich einen Tassenkopf voll in den Eierkuchenteig; die Buttermilch spart Eier und macht die Kuchen schmackhaft, befördert auch das Aufgehen der Kuchen oder macht sie, besser gesagt, locker. Aus letzterem Grunde nehme ich auch zu Fleischklößchen aller Art usw. gern 1–2 Eßlöffel Buttermilch. Gut schmecken auch Stampfkartoffeln mit Buttermilch. Gewöhnlich gibt es etwas Rührei hinterher, und das Mittagsmahl ist fertig. Im Sommer genießen wir die Buttermilch kalt, im Winter wird eine wohlschmeckende Suppe daraus bereitet, die für Liebhaber mit Dill oder Kümmel gewürzt wird. In einem großen Pensionat in Berlin wurde sogar als Nachtisch eine Buttermilchspeise gegeben, die allgemeine Anerkennung bei den jungen Damen fand.
Legt man eine Hammelkeule 2–3 Tage in Buttermilch, ehe man sie brät, so glaubt jeder, Rehbraten zu genießen.
Buttermilch ist aber auch ein gutes Heilmittel, weil es gelinde abführt. Es wird deshalb bei Verdauungsbeschwerden und bei Magenkrankheiten angewandt. Früher, als die Sucht neuerfundene Mittel anzuwenden, weniger verbreitet war, wurde Buttermilch von den Ärzten bei Herz- und Leberkrankheiten, ja sogar bei Typhus mit Erfolg angewandt. Weshalb also immer ins Weite schweifen, wenn man in der Buttermilch einen guten Freund hat, der billig zu haben ist, außerdem oft Arzt und Apotheke erspart? Man muß diesen Freund nur nicht verkennen, sondern ihn oft zu sich nehmen.
Denjenigen, die Wert auf Schönheitspflege legen, will ich in aller Eile noch verraten, daß ein mit Buttermilch getränktes Tuch den Sonnenbrand der Haut auszieht und dem Teint Zartheit und Frische verleiht. Selbst Sommersprossen erblassen, nur muß man sich bei und nach Gebrauch des Mittels nicht den Sonnenstrahlen aussetzen. Man verkenne also die Buttermilch nicht, sie dankt demjenigen, der sie anwendet.
Elisabeth Haacke.