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Es ist eine alleinstehende Frau, welche dies schreibt, und zwar eine Schauspielerin. Schwärmerei und Ideale für diesen Beruf haben sie ihn ergreifen lassen. Eine Versorgung durch gute Heirat hat sie für unmoralisch gehalten, sie ist lieber ihrem künstlerischen Wirkungskreise treu geblieben, ohne damals freilich zu ahnen, einen wie harten Kampf sie um die Existenz bestehen müsse.
Daß er heute insofern siegreich ausgefochten ist, als ich nach etwa 30 Jahren wenigstens so dastehe, daß ich auch ohne Erwerb vor der äußersten Not geschützt bin, habe ich nur meiner Sparsamkeit an dem geeigneten Platze zu danken. Lehrgeld habe ich allerdings auch erst genug gezahlt, Mühen, Strapazen, Arbeit und Wege nicht gescheut, und oft, wenn eine Arbeit oder ein Unternehmen mir unmöglich dünkte, mich damit angestachelt: »Es muß gehen!« Gelang mir eine Arbeit heute nicht, so versuchte ich sie am zweiten, dritten Tage noch einmal. Dann gelang sie meist.
Nachdem ich meinen schauspielerischen Beruf zwei Jahre ausgeübt und die Schneiderkosten für meine Kostüme kaum erschwingen konnte, lernte ich schneidern.
So gelang es mir, nicht nur meine neue Garderobe billiger herzustellen, ich lernte auch die alte zu verwenden. Jede Spitze, jedes Band kam zur Verwendung. Nach Möglichkeit benutzte ich billige Gelegenheitskäufe.
Möblierte Wohnungen erhielt ich nicht immer nach Wunsch, doch sah ich darauf, daß die Miete niemals mehr wie den sechsten Teil meines Einkommens überschritt. Wo es irgend anging, kochte ich selbst, dadurch lebte ich gut und billig. In einigen Sommeraufenthalten bestellte ich sogar etwas Gartenland, wie in Königsberg (Mittelhufen) und in Bad Salzungen i. Thür. So brachte ich das Kunststück fertig, in diesen beiden Orten, wie auch einen Sommer in Kassel, mit 35 Mk. monatlich zu leben einschl. Wohnung und Wäsche. Natürlich habe ich selbst gewaschen. Meine Fleischportionen waren klein, die Gemüse- und Salatportionen dafür um so größer. Margarine oder minderwertiges Fett habe ich nie zu meinen Speisen verwendet. In der Schweiz, speziell Zürich, habe ich nicht gekocht, sondern in den vom Frauenverein gegründeten alkoholfreien Lokalen gut und billig gegessen. Mittagessen: Suppe, Gemüse und Fleisch mit Brot von 40 Ct. an (30 Pfg.), eine Tasse Kaffee 10 Ct. Alle diese Lokale haben Damenzimmer, und es verkehren dort bessere und geringere Leute, ferner viel Studentinnen. In Rußland würde ich jeder Dame empfehlen, selbst zu kochen, da die Lebensmittel sehr billig, die Restaurants aber teuer sind, auch die Kost nicht immer nach deutschen Geschmack ist.
Bei Reisen suche ich jegliche Überfracht meines Passagiergutes zu vermeiden. Sende alles übrige Gepäck als Fracht. Auch Droschken, Depeschen, unnütze Ansichtskarten spare ich möglichst. Als Reisekleidung wähle ich natürlich Kleider, die Staub und Regen vertragen (Lodenstoffe); Federhüte sind ausgeschlossen. Bin ich genötigt, in fremdem Orte zu logieren, wähle ich am liebsten die christlichen Hospize. Man ist anständig aufgehoben und spart die vielen Trinkgelder. Einige dieser Hospize, wie das in Berlin, Borsigstr., haben eine Vorsteherin, welche statt eines Oberkellners die Zimmer anweist. Mich hat dies sehr angenehm berührt. Man findet dort Zimmer zu allen Preisen. Frühstück mit Gebäck von 40 Pfg. an.
Ein weiteres Sparprinzip von mir ist: »Nichts zugrunde gehen lassen!« Nicht eine Brotrinde, nicht eine alte Semmel werfe ich fort, sondern verwende sie in irgend einer Weise zu schmackhaften Speisen, falls ich sie nicht an Ärmere verschenke.
Habe ich Ersparnisse, so lege ich sie lieber für wenig Prozente sicher an als für hohe Prozente unsicher. Am ratsamsten ist es wohl, sein Geld städtischen oder Landessparkassen, welche meist 3–3¾% zahlen, anzuvertrauen.
Bei Beginn meiner Laufbahn trat ich gleich der Pensionsanstalt unserer Bühnengenossenschaft bei, wodurch ich mir Anspruch auf eine Pension und Rente erwarb, in weit günstigerer Weise, als andere Versicherungen sie bieten können. Es sollten auch in anderen Berufen solche Körperschaften gegründet werden, denn der Vorteil, welchen man durch die Einzahlung erringt, ist immer größer und sicherer als bei anderen Kapitalanlagen.
Als eine fernere Lebensweisheit betrachte ich die wichtige Einteilung von Geschenken. Früher schenkte ich so viel und gern, bis ich durch Erfahrungen klüger wurde. Man beurteile erst die Leute, welchen man schenkt. Es gibt Menschen, welche sinnige Gaben gar nicht zu würdigen verstehen. Handarbeiten, selbstgefertigte, schenke ich z. B. nur noch Leuten, welche die Mühseligkeit derselben zu würdigen verstehen, Leuten, die Gemüt haben und sie als Andenken schätzen. Die Geschenke sollen überhaupt stets dem Charakter des zu Beschenkenden entsprechen. Oberflächlichen, putzsüchtigen Menschen gebe man Schmucksachen oder einen in die Augen fallenden Zimmerschmuck, oder Kleidungsstücke, wenn er uns näher steht. Zarter besaiteten Menschen gebe man Geschenke mit irgend einer innigeren Bedeutung. Man wähle nicht zu kostbar, daß die Geschenke den Beschenkten bedrücken, sei aber auch nicht knauserig. Ist man arm, so kann man häufig auch bei feinfühligen Menschen mit Blumen oder einer kleinen Handarbeit Freude machen. Hier muß der gute Wille genügen. Man überschreite nie in einer Lebenslage seine Verhältnisse.
Wer diesen Grundsatz befolgt, hat schon viel gewonnen.
Julie Hartje.