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In Süddeutschland wild, nördlicher nur als Lauben- und Zaunbekleidung angepflanzt, erfreut das echte Geisblatt uns im Sommer Monate hindurch mit seinem Blütenduft. Tags über sind die Blüten meist geschlossen und unscheinbar, der Duft macht sich wenig bemerklich. Nähern wir uns dem Strauch aber nach 6 Uhr abends, so sehen wir ihn plötzlich erwachen. Das untere Blatt der Blumenkrone senkt sich, dann biegt sich die vierzähnige Oberlippe zurück, die langen Staubblätter lockern sich und spreizen wie die Finger einer Hand auseinander; über ihnen wird der Griffel mit kopfiger Narbe sichtbar. Das Öffnen spielt sich vor unsern Augen in kaum zwei Minuten ab. Nun erwarten die Blüten, deren Farbe weithin durch die Dämmerung leuchtet und deren Duft immer stärker ausströmt, ihre Besucher. Und pfeilschnell, lautlos schwirren sie herbei: keine Fliegen, Bienen, Hummeln, obwohl auch sie noch nicht alle zur Ruhe gegangen sind, sondern Abendschmetterlinge, Nachtfalter, Eulen: nur diese können mit der Spitze ihres langen Rüssels den im Grunde der langen Blumenröhre sitzenden Honig erreichen. Einige Sekunden vor der Blüte schwirrend, unter so schnellem Flügelschlag, daß die Schwingen nur wie ein grauer Flor erscheinen, saugen sie, bepudern Kopf und Rüssel mit dem Pollen und verschwinden, um ihre Arbeit bei der nächsten Blüte fortzusetzen. Die Bestäubung wird durch diese Anpassung der Blüten an Abend- und Nachtschmetterlinge bisweilen, da die Tiere bei kaltem und regnerischem Wetter ausbleiben, etwas unsicher; bleibt sie aus, so erfolgt durch eine Krümmung der Kronenröhre und der mit ihr verwachsenen Staubblätter Selbstbefruchtung.
Das echte und das ebenfalls als Schlingpflanze windende gemeine Geisblatt ( Lonicera Perictymenum L.) sind Nachtblumen. Ihre erst in den Abendstunden sichtbar werdende Blütenfärbung und der starke, von Schwärmern schon auf 100 m und weiterher gewitterte Duft dienen zur Anlockung von Bestäubern, die sich Tags über verborgen halten. Beide Pflanzen ähneln einander; sie sind jedoch sehr leicht an den oberen Blättern zu unterscheiden, welche beim Jelängerjelieber zusammengewachsen sind, so daß der Stengel hindurchgewachsen erscheint, beim gemeinen Geisblatt aber immer getrennt sind. Aus den Blütenköpfchen entwickeln sich bei beiden scharlachrote Beeren.
Geisblattgewächse, Caprifoliaceen. Kl. V. . Mai, Juni.