Ludwig Bechstein
Deutsches Sagenbuch
Ludwig Bechstein

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985. Die Untersberger

Wer von Reichenhall nach Berchtesgaden geht, hat stets den weitberufenen Untersberg zur Linken. Dieser, von vielen im Volke auch der Wunderberg geheißen, steht eine Meile von Salzburg an dem Grundlosen Moos, wo einst vor alten Zeiten die große Hauptstadt Helfenburg gestanden haben soll. Er ist sechstausendsiebenhundertundachtundneunzig Fuß hoch und überreich an Wäldern, Alptriften, Wild und heilsamen Kräutern, an Marmor und anderm noch kostbareren Erz und Gestein. Ein altes Buch sagt aus, daß öfters fremde Kunsterfahrene aus Welschland herbeikamen, die Erze und Minern insgeheim bearbeiteten, nebenbei aber sich der Bosheit gebrauchten, die Fundgruben den Umwohnern aus Neid zu verhehlen und zu verblenden. Zahllose Sagen gehen von dem Untersberg im Munde des Volkes. Im Innern sei er ganz ausgehöhlt und mit Palästen, Kirchen, Klöstern, Gärten, Gold- und Silberquellen versehen. Kleine Männlein bewahrten die Schätze und wanderten ehedem oft um Mitternacht in die Stadt Salzburg, in der Domkirche daselbst Gottesdienst zu halten, aber auch nach andern Kirchen der Umgegend. Sieben Holzknechten und drei Reichenhallern kam einst auf schmalem Fußweg ein ganzer Zug schwarzer Männchen entgegen, vierhundert an der Zahl, Paar um Paar, ganz gleich gekleidet, zwei Trommler und zwei Pfeifer voran. Auch hörte man des Nachts in diesem Wunderberge Kriegsgetümmel und Schlachtgetön, besonders bei bevorstehendem Kriege. Zur mitternächtigen Geisterstunde kommen die Riesen hervor, steigen zum Gipfel und schauen gen Osten unverwandt; wann es dann zwölfe schlägt, erlischt ihr vorausgehend Flammenlicht, die Riesen verschwinden, und es treten die Zwerge aus dem zaubervollen Bergesinnern und brechen das Erz und hämmern am Gestein, oder sie wandeln, mit netzförmigen Häubchen bedeckt, mitten unter dem werdenden Vieh umher.

Vieles auch weiß die Sage der Umwohner von den wilden Frauen des Untersberges zu berichten; wilde Frauen in weißen Gewändern, mit fliegenden Haaren, an den Firsten des Berges. Sie sangen schöne Lieder.

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