Ludwig Bechstein
Deutsches Sagenbuch
Ludwig Bechstein

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466. Der heilige Ludwig

Landgraf Ludwig, der in noch sehr jungen Jahren schon die Regierung des Thüringerlandes überkommen, war fromm und gütig, und sein Gemüt stimmte in den meisten Dingen mit dem himmlischen Gemüt seiner Elisabeth überein. Er war ihr auch getreu wie Gold und ließ sich nicht zur Untreue verlocken, obschon in diesem Punkt jene Zeit nicht anders und nicht besser war als die heutige. Wie mild und gut und frommgesinnt dieser Fürst auch war, so war er doch auch ein strenger Schirmherr des Rechts und gar oft der geringen Leute Schutz und Trost. Einem armen Kleinkrämer, der ihn um freies Geleite bat, sicherte er dieses nebst der Zollfreiheit in allen thüringischen Städten und Ortschaften zu und fragte ihn freundlich, wie hoch er seinen Kram schätze. – Da sagte der Krämer: Zehn Schillinge, Herr, ist alles wert. – So! sagte der Landgraf, da wollen wir Kumpanei machen, du hast zehn Schillinge Waren, ich gebe zehn Schillinge bar dazu, nun warte deines Handels; hast du Gewinn, will ich ihn teilen, hast du Verlust, will ich dich schadlos halten. Der Begabte zog froh von dannen, sein Handel ging trefflich, er hatte guten Gewinn und führte redliche Rechnung. Er konnte immer mehr Einkäufe machen und endlich nicht alles selbst tragen, sondern schaffte einen Esel an, mit dem zog er bis gen Venedig und kaufte und tauschte dort kostbare Waren, als Glas, Metall, Elfenbein und Korallen, ein, auch Ringe, Perlen und Edelgesteine, und zog wieder heim und kramte von Stadt zu Stadt in Deutschland; da kam er auch nach Würzburg, der Bischofresidenz, und da sahen etliche fränkische Ritter von der Sorte, die gern ohne Geld kauft, den reichen Kram. Die nahmen auf dem Weiterwege den Esel samt den Waren und achteten des Geleitsbriefes vom Thüringer Landgrafen so wenig wie dessen Hofdienertracht, die der Kaufmann trug. Da nun der Krämer traurig heimkehrte und seinem Herrn die Unbill klagte, sprach dieser: Warte nur, mein Geselle, ich schaffe schon unsern Esel und unsere Waren wieder bei!, entbot alsbald seine Mannen zu einer Heerfahrt, kündigte von Stund an dem Bischof Fehde an und fiel in das Frankenland ein wie ein Hagelwetter, wobei freilich gar viele Unschuldige bitter leiden mußten, und ließ dem Bischof sagen, er suche seinen Esel. Da haben die fränkischen Ritter den Esel und die Waren herausgeben müssen, wie jener ihr Vorgänger an Ludwigs Ohm den Wein, und mußten den Landgrafen und des Bischofs Untertanen schadlos halten.

Ein anderes Mal fuhr der Landgraf auch in Kaufmannsangelegenheiten, da man Kaufleute gefangen hielt, die seine Untertanen waren, mit Heeresmacht bis nach Polen und eroberte und zerstörte dort das Schloß Lebus. Da Landgraf Ludwigs Schwester Agnes sich dem Herzog von Österreich vermählte, brachte dieser seinem Schwager als eine Seltenheit einen großen lebendigen Löwen mit, der ward im Wartburghofe verwahrt gehalten, wie jetzt der Fuchs. Da geschah es eines frühen Morgens, daß der Landgraf leicht bekleidet und ganz ohne Waffen hinab in den Hof ging, etwa zu beten oder der Morgenfrische zu genießen. Da stand plötzlich der schreckliche Löwe frei und ledig vor ihm da, denn aus Versehen des Wärters war die Käfigtüre nicht gut verschlossen, und der Löwe hatte sich herausbegeben, auch etwas frischer Luft zu genießen. Da nun die beiden Herren, der König der Tiere und der Landgraf von Thüringen, einander gegenüberstanden und sich ansahen, zeigte der Landgraf seinen rechten Mannesmut, er schrie den Löwen hart an, indem er ihm dräuend die geballte Faust entgegenwarf, darob erschrak der Löwe und legte sich auf die Erde und schlug mit dem Schweife. Das Geschrei des Herrn aber ward gehört und ward Lärm, und der Wärter, den der Löwe kannte, brachte das gewaltige Tier wieder in seinen Käfig zurück. Das geschah ein Jahr vorher, ehe Landgraf Ludwig zu großem Schmerz und Unglück der heiligen Elisabeth die Meerfahrt nach dem gelobten Lande antrat, von der er nicht wiederkehrte.

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