Ludwig Bechstein
Deutsches Sagenbuch
Ludwig Bechstein

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535. Gottes Finger

Nach der für den Kurfürsten Johann Friedrich den Großmütigen zu Sachsen so unglücklichen Schlacht bei Mühlberg mußte dieser Fürst als Gefangener seinem Überwinder Kaiser Karl V. folgen. Auf diesem Zuge kamen beide nach Saalfeld. Der Kaiser bezog das neuerbaute Gasthaus zur goldnen Gans in der Nähe des Rathauses, das jetzt zum goldenen Anker heißt, und der gefangene Kurfürst erhielt sein Losament in einem gewölbten Gemach nahe dem Hofe, vor welchem eine Leibwache spanischer Soldaten sich aufpflanzte. Das waren des neuen Gasthofs erste Gäste. Der edle Gefangene, Herr des Landes und doch in Gewalt des Feindes, trug mit der Würde, die seinen Charakter auszeichnete, sein Los, aber in diesem Kerkergewölbe fiel eine Angst gleich einer Bergeslast auf seine Seele. Er vermochte nicht das Bangen, das ihn drückte, zu bewältigen und bat die Wachen, sie möchten ihm vergönnen, nur einen Augenblick im Hofe frische Luft schöpfen zu dürfen. Der Kaiser ward um Erlaubnis befragt und gewährte. Und kaum war Johann Friedrich aus seinem Gefängnis getreten, so stürzte mit Donnergepolter das Gewölbe über jenem Gemach zusammen und hätte unfehlbar den Kurfürsten erschlagen, wenn er noch darunter geweilt. Dieses sichtliche Zeichen der allwachenden Vorsehung bewog Karl V., seinem erhabenen Gefangenen ein besseres Gemach anweisen zu lassen.

Fünf Jahre lang trug Johann Friedrich Last und Leiden der Gefangenschaft; als er endlich frei geworden, kam er wieder nach Saalfeld, wohnte, umjubelt von seinem treuanhänglichen Volke, wieder in der goldenen Gans und publizierte den getreuen Ständen in feierlicher Versammlung auf dem Rathaus seinen kaiserlichen Restitutionsbrief.

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