Ludwig Bechstein
Deutsches Sagenbuch
Ludwig Bechstein

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722. Teufelsburg und Höllenmauer

Weit sichtbar und weit berühmt sind die beiden Gleichberge, der große und der kleine, über Römhild. Wetterpropheten beide, sagt von ihnen das Volk, wenn Nebel ihre Häupter einschleiern: die Gleichberge kochen, es wird noch heute eine Suppe geben. – Die Sage geht, daß im großen Gleichberg so viel Wasser sei, um aus demselben einen schiffbaren Strom zu leiten. Unten ist eine Stelle, die heißt der Nebler, allda läßt sich bisweilen ein Feuermann sehen, oben aber ist ein Eisloch, das nennen sie die kalte Hölle.

Der kleine Gleichberg wird auch die Steinsburg genannt und hat den Namen von den drei mächtigen Basaltringwällen, die ihn umlagern, aber in der Nähe des Gipfels sich zu großen Strecken ausbreiten. Des Volkes Sage will, daß einst darauf eine Burg gestanden, welche jedoch nicht allzusehr fest gewesen. Ihr Besitzer war ein alter grämlicher Ritter, der aber eine sehr schöne und tugendsame Tochter hatte. Düster und zurückgezogen, hütete er mit einer alten Amme gemeinsam die Tochter, die aber dennoch einen Liebesbund mit einem jungen Ritter anknüpfte, welcher Ritter aber von dem Alten schnöde zurückgewiesen wurde, als er um des Fräuleins Hand anhielt; denn der Alte sagte: Lieber gebe ich dem Teufel meine Tochter als dir! Da drohte der beleidigte Ritter dem alten Herrn mit feindlichem Überzug und schrieb ihm einen Absage- und Feindesbrief. Jetzt erfaßte Bangen den alten Burgherrn, und er rief den Bösen zu Hülfe und verhieß diesem die Tochter zum Lohne, wenn er ihm die Burg mit einem unübersteiglichen dreifachen Mauerring umgürte, bevor der nächste Hahnschrei den Tag verkünde. Der Böse willigte ein, und es begann nun in Hast der Bau; unzählbare dienende riesige Geister schleppten endlos Steine, und es wuchs die Umwallung von Minute zu Minute riesengroß. Die Amme aber, die dem Fräulein gar sehr zugetan war, hatte den Bund belauscht und schlich gegen das Frührot mit der Lampe zum Hühnerstalle, und wie der Hahn das Licht sah, meinte er, es werde Tag, und krähte überlaut. Da bricht das Höllengebäu samt der Burg in tausend und abertausend Trümmerbrocken zusammen, die noch heute den Berg umlagern; der Teufel, der noch einen Felsen zum Schlußstein schleppte, läßt ihn vor Schreck auf einen Berg über Themar fallen und errafft dafür des alten Ritters Seele. Dem jungen Paare stand kein Hindernis zu seiner Verbindung mehr im Wege. Immer noch sagen die Leute, man erblicke Treppen des alten Schlosses, und ein großer Schatz liege noch im Bergesschoße, der nur durch eine weiße Blume gehoben werden könne. In der Geisterstunde läßt sich auch droben eine wandelnde Jungfrau blicken.

Beim Dorfe Gleichamberg, das den Namen daher führen soll, weil es gleich am Berg, dem Gleichberge, liegt, beginnt ein weitfortstreichendes Steinlager eigentümlicher Art, das durch die Flurmarkung von Gleicherwiesen zieht und letzteres Dorf berührt. Dann geht es durch Lind und Haubinde, in die Trappstadter Markung, weiter zwischen Eschelborn und Sternberg und zwischen Alsleben auf die Heckenmühle in der Obereßfelder Markung und heißt beim Landvolk die Heidenmauer, nicht minder auch die Höllenmauer. Dieses Steinfundament wollten manche Gelehrte für den Rest einer Römerstraße halten, weil in dessen Nähe römische Münzen gefunden worden, das Volk aber schreibt es lieber dem Teufel zu. Das Steingeschiebe ist an den meisten Orten nur drei Schuh breit, doch dabei sehr tief; so fand man in der Nähe von Trappstadt in einer Tiefe von achtzehn Fuß noch kein Ende. Es läuft unter dem urbaren Felde hin und kommt nur zuweilen beim Umackern zutage. Bei der erwähnten Heckenmühle breitet es sich zu einem Steinfelde von dreißig Schuhen aus und behält diese Breite auf sechzig Ruten Länge, hierauf verengt es sich wieder bis auf drei Schuh. Dort geht die zweite Quelle der fränkischen Saale über diese sogenannte Höllenmauer, welche nun über Brennhausen, zwischen Friesenhausen und Eichelsdorf, auf Hofheim und Rügheim bis zum Mainufer streicht. Selbst unter dem Mainbette soll sie durchziehen und sich im Steigerwald verlieren. Jener Stein, den der Teufel fallen ließ, heißt noch der Teufelsstein oder Feldstein und liegt auf einem Berge oberhalb Themar; es ist ein mächtiger Säulenbasaltfels, wie geklaftertes Holz geschichtet. Ein großer Schatz soll darunterliegen. Oben darauf aber wächst das Irrkraut, welches den, der darauftritt, irre führt, daß er lange umherlaufen muß und nicht Weg noch Steg findet. Wem das begegnet, der muß nur schnell sich hinsetzen und die Strümpfe wechseln, so kommt er wieder auf seine richtige Bahn.

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