Ludwig Bechstein
Deutsches Sagenbuch
Ludwig Bechstein

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770. Muttergottesbild am Fels

Wenn man unten von der Tanzwiese und dem Hof, der denselben Namen führt, zu den schroffen und steilen Felsklippen der Milseburg emporsteigt, wo seltene Blumen und Kräuter wachsen, so führt ein schmaler und steiniger Pfad zum Gipfel, welcher Pfad der Kirchweg heißt. Dem Wanderer zur Linken steht auf diesem Pfade, ganz nahe dem Weg, frank und frei auf einem Felsblock ein kleines, farbig angemaltes steinernes Muttergottesbild, den Heiland im Schoß und mit Perlen und Kränzen von frommen Händen geschmückt, aber allem Ungetüm der Witterung auf dieser rauhen Höhe ausgesetzt. Einst gedachten einige Gläubige, dieses Bild besser zu schützen, damit es nicht Schaden leide vom Sturm und Wetter, und wölbten nur wenige Schritte von der Stelle, wo das Bild stand, aber zur rechten Hand des Felsenpfades eine schützende Nische. In diese trugen sie mit Andacht das kleine Bildnis. Allein am andern Tage, als sie nachsahen, stand es wieder an seiner vorigen Stelle. Dies geschah dreimal nacheinander; dreimal wurde das Bild in die Nische getragen, dreimal kehrte es auf den vorigen Stand zurück. Da ließ man dasselbe ferner unangetastet. Das Bild ist noch gar nicht so alt; es ist an seinem Fuße die Jahrzahl 1664 nebst dem Namen GEORG STEPLING zu lesen. Mächtig schützt der Segen der göttlichen Jungfrau den Ort und die Waller zur Höhe. Obgleich an gewissen heiligen Tagen Tausende diese steilen und zerklüfteten Klippen und Schluchten besteigen und beklettern, noch von keinem hat man gehört, daß er einen gefährlichen Fall getan und an seinem Leibe zu Schaden gekommen sei. Und noch heute sitzt die gute Jesusmutter am Felsenwege zur Kapelle unter einem kleinen Schirmdache frei und offen da, und noch nie ist von ihrem Schmuck auch nur das mindeste entwendet worden.

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