Ludwig Bechstein
Deutsches Sagenbuch
Ludwig Bechstein

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304. Die Salzsau

Vor achthundert Jahren war um Lüneburg noch eitel Wald und Morast, da geschah es, daß Jäger einer wilden Sau nachgingen, die sühlte sich so recht nach Herzenslust im Schlamm und legte sich dann auf eine trockene Stelle und schlief, und wie die Sonne so recht auf die Sau schien, da gewannen deren schwarzbraune Borsten gar eine schöne weiße Farbe. Das nahm die Jäger wunder, und sie töteten die Sau, und da fanden sie, daß eitel gutes reines Salz an den Borsten kristallisiert war, von einer herrlich gesättigten Sole. Dadurch ward das ergiebige berühmte Salzwerk zu Lüneburg zuerst entdeckt, und es wurde auch von selbiger Sau etwa ein Schinken nicht gegessen, sondern zum ewigen Andenken in eines hochweisen Rates Küchenstube zu Lüneburg aufbewahrt, mit lateinischen Versen und in einem gläsernen Kasten. Auch die Haut mit den kandierten Borsten ward aufbehalten. Das Salzwerk ward die Sülze genannt, und weil Lüneburg neben ihm einen namhaften Berg und eine treffliche Brücke hat, die über den Fluß Ilmenau führt, so ward ein lateinischer Denkspruch auf diese drei Herrlichkeiten gedichtet, der gerade so anfängt, wie es in einem auf die sieben Wunder von Jena lautet, nämlich: Mons, fons, pons. Damit allem Mutwillen beim Salzwerke gesteuert werde, wurde in Zeiten ein Turm erbaut, welcher der weiße Turm hieß, aber seine weiße Farbe nicht, wie die Salzsau, von Salzkristallen erhielt, in diesen Turm legte man mutwillige und boshafte Sülzer und legte sie an eine große schwere Kette, und da hat sich der Teufel auch in den Turm gelegt und hat darin herumrumort, wie im Ponellenturm zu Aachen, und hat alle Nacht ein Maul voll davon abgebissen, welches ihm nicht schlecht muß bekommen sein, denn schon vor mehr als hundert Jahren geschah Meldung vom weißen Turme, daß er ganz zerfallen sei und nur die große Kette noch gezeigt werde.

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