Ludwig Bechstein
Deutsches Sagenbuch
Ludwig Bechstein

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545. Milch- und Gelddrachen

In der Saalfelder Gegend wie im nachbarlichen Orlagau und im Vogtlande, aber auch in Thüringen und weit nach Franken hinein ist der Glaube an Drachen verbreitet, welche den Teufelsbündnern Reichtum zutragen. Auf gar vielen Orten bezeichnen die Einwohner geradezu die Häuser und nennen die Leute ohne Scheu mit Namen. Die Drachen erscheinen in feuriger Gestalt und werden in gute und arme Drachen unterschieden. Die meisten fallen in Form einer Feuerkugel durch den Schornstein in die Häuser und schütten daselbst ihre Schätze, Milch, Eier und Geld, aus. Man nennt sie die guten Drachen. Bisweilen zieht der Drache aber auch in Gestalt eines langen Wiesebaums durch die Fensterzwickel in die Wohnungen und hinterläßt statt der Reichtümer einen furchtbaren Gestank. Das ist der arme Drache. Wenn der Einzug des guten Drachen gewahrt wird, werden schnell die Milchgefäße gereinigt, und man setzt sie in Küche und Keller, damit der Drache seine Milch darin ausschütten könne. Um ihn anzuziehen, werden die Butterfässer aus Holzarten gefertigt, welche zu heidnischer Zeit für heilig gehalten wurden, Wacholder, Eibisch, Linde. Das Holz wird am heiligen Abende des Weihnachtsfestes geholt und sogleich abgeschält. Butter wird nur am Freitage ausgerührt, nachdem man zu drei verschiedenen Malen Milch in das Butterfaß gegossen hat. Noch jetzt werden häufig in den Kellern eingegrabene Töpfe von eigentümlicher Beschaffenheit gefunden. Sie sind hoch an Form, unten zugespitzt, haben neun Ringe in der Mitte und sind ohne Henkel. Der ursprüngliche Deckel ist an dem Rande abgeschlagen und so inwendig in den Boden des Topfes eingepaßt, und an des Deckels Stelle ist eine Schieferplatte gefügt. Lauter Anstalten, um das Geschäft des Drachen in Vermehrung der Milch zu erleichtern.

Wieder eine andere Art feuriger Drachen sind die, welche die Sage als Schätzehüter insgemein erscheinen und von denen erblickt werden läßt, welche dem Geschäft des Schätzehebens obliegen, das nur zu oft den Hals und das ewige Seelenheil dazu kostet, das sind die Gelddrachen, die auch oft auf zwei Beinen mit Menschengesichtern umgehen.

Nicht weit von dem Dorfe Peisla ohnweit Ranis erhebt sich der Engelsberg, ganz mit Rotbuchen bewachsen. An seinem Fuße zieht sich ein tiefer Graben nach Norden, den man den Poppengraben nennt, und welcher an den Poppenbiel stößt. Auf der östlichen Seite des Berges öffnet sich eine Höhle, die der Sage nach durch den ganzen Berg sich erstrecken soll. Zwei feurige Drachen liegen darin an Ketten und haben einen großen Schatz, der daselbst verborgen ist, zu bewachen. Ein graues Männchen wird nach Jahrhunderten die Stelle andeuten, wo der große Schlüssel liegt, mit welchem der Zugang zum Schatze geöffnet werden kann, indem das Männchen mit einem Stabe einem der großen Steine, die am Wege von Peisla nach Dobian liegen, ein Malzeichen aufdrücken wird.

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