Ludwig Bechstein
Deutsches Sagenbuch
Ludwig Bechstein

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737. Das Gebet der Mutter

Ohnweit des Schlosses Landsberg und dem Haßfurtwalde erhebt sich der hohe Gebaberg, an diesem, auf der Seite nach Meiningen zu, nicht weit vom Dörflein Träbes, liegt ein tiefer Erdfall, insgemein das Träbeser Loch genannt, und unten am Fuß der Geba liegt das Dorf Seba und nahe dabei ein kleiner See. Vor alten Zeiten war das Träbeser Loch bis an den Rand voll Wasser, und an der Stelle des Sees erblickte man die schönste und fruchtbarste Wiese im ganzen Tal. Diese war Eigentum einer reichen, hochbetagten Witwe. Die Witwe ward krank, und ihre beiden Söhne traten an ihr Lager, als sie in großer Schwachheit lag, glaubten, sie schlummere, und begannen sich untereinander über ihr Erbe zu besprechen, und wie sie miteinander teilen wollten, wurden auch fertig miteinander, bis auf die Wiese, die wollte jeder ganz und ungeteilt besitzen, und von den leisen Worten kam es zu lauten, so daß sich die Brüder am Sterbebette der Mutter zankten, und daß einer drohte, den andern totzuschlagen, worauf sie voll Zorn die Stube verließen. Die kranke Frau hatte alles gehört, ward schmerzlich bewegt in ihrem Herzen und richtete ein flehentliches Gebet zu Gott, daß er verhüten möge den Bruderzwist, vielleicht den Brudermord um einer Wiese willen, und daß er doch möge die Hoffnung beider auf dieses Erbstück zu Wasser werden lassen. Und Gott erhörte das Gebet der Mutter, denn als der nächste Morgen anbrach, so war von der Wiese keine Spur mehr zu sehen, sondern an ihrer Stelle war ein großer Wasserspiegel ausgebreitet. Niemand wußte sich zu erklären, woher auf einmal die Wassermenge, bis Bauern aus Träbes vom Berg herunterkamen und berichteten, daß in der vergangenen Nacht ihr See verschwunden und an dessen Stelle ein furchtbar tiefer, trichterförmiger Kessel sichtbar sei. Da entsetzten sich die Brüder und versöhnten sich am Lager der Mutter, welche Gott und sie segnete und starb.

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