Ludwig Bechstein
Deutsches Sagenbuch
Ludwig Bechstein

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610. Der Zauberjunge

Ein vorwitziger Lehrjunge zu Leipzig verband sich im Jahr 1707 mit einem fremden Mühlburschen, Teufelsbeschwörungen und Schatzhebung vorzunehmen, empfing von diesem gegen Geld eine Abschrift von Doktor Fausts Höllenzwang und eine metallene Wünschelrute und begann seine Zauberei und seine Zitation nach allen Regeln an einem Freitag im Keller seines Lehrherrn. Bei der dritten Beschwörung stieg ein Rauch aus dem Boden, daraus wurde ein kleines Männlein, welches anzusehen war, als wäre es ganz und gar mit einem grauen Flor überzogen, das legte ihm zwei Zweigroschenstücke hin und fragte: Bist du damit zufrieden? – Darauf sagte der Junge: Ja! – Bei einer spätern Beschwörung an einem andern Freitag erfolgte dieselbe Erscheinung, und da tat sich nebenbei die Erde auf und ließ den Schatz blicken. Da legte die Geisterscheinung ein brandenburgisches Sechzehngroschenstück unversehens hin und fragte wieder: Bist du damit zufrieden?, doch regte sich das graue Männchen im geringsten nicht, bewegte auch keine Lippe. Und der Junge sagte wiederum ja und beobachtete alles Vorgeschriebene, mit Lichter löschen, rücklings aus dem Keller gehen und dergleichen. Das war geschehen am 28. Oktober, und am 4. November hub der junge Zauberer wieder an, eine noch schärfere Beschwörung vorzunehmen, und wieder erfolgte des Dämons Erscheinung, aber unter rollendem Geräusch, und tat sich die Erde ganz auf, und rückte ein Kessel herauf, der war voll geprägtes Geld, auf dem Gelde aber lag etwas, anzusehen wie eine Karbatsche, vorn mit einem Kopf, der sich immerdar bewegte. Da sich nun bei dieser starken Beschwörung der Zauberjunge der heiligen Dreifaltigkeit abschwur, so kam ein Papierblatt in Form eines in der Länge durchschnittenen halben Bogens, mit schwarzem Rande und auf beiden Seiten rot beschrieben, nebst einer schwarzen Feder, verkehrt geschnitten, zum Vorschein, und das graue Männchen hatte wieder, wie auch bei seinem ersten und zweiten Erscheinen, ein längliches Buch vom Format jenes Papierblattes, wie ein Zinsregister, unterm Arme. Dann war dem Zauberjungen, als falle ein Körnlein Sand oder ein Tropfen Wasser von der Decke herab erkältend auf seine Hand, und als er die Hand hob und ansah, stand ein Tropfen Blutes darauf. Keck nahm er das Papier und die Feder, faßte mit letzterer das Blut auf und begann zu schreiben: J – o – (er hieß Johannes). Da war ihm, als komme jemand schnellen Schrittes die Kellertreppe herab; da er nun vermeinte, es sei sein Mitgeselle, sich aber nicht umsehen durfte, so ließ er die Feder fallen, verlöschte in Eile die Lichter und warf sie in ein Wasserfaß, zerriß den Faden, damit er den Zauberkreis gemacht, und ging rücklings zum Keller hinaus, zu sehen, wer ihn gestört, fand aber niemand. Nach acht Tagen ging der Zauberjunge wieder in den Keller, da er aber auf die untersten Stufen gelangte, kam ihn ein Schauer an, daß er nicht vermochte, vollends hinabzugehen, kehrte demnach wieder um. Am nächsten Freitag, wo er wieder hinab und das Werk fortsetzen wollte, hieß ihn sein Herr in die Kirche gehen, den darauffolgenden verhinderte ihn ein im Keller arbeitender Maurergeselle – aber Tag und Nacht hatte er keine Ruhe, immer war das graue Männchen um ihn, machte oft pst! pst! Das machte ihn ganz verwirrt, und sah aus wie ein Trunkener, und hatte die Augen voll Wasser. Der Lehrherr nahm ihn in das Gebet, aber er gestand nichts, und da ersterer ihm wiederholt anriet, er solle sich bereiten, zum Abendmahl zu gehen, so antwortete der Zauberjunge stets: Das darf ich nicht, das kostet mir mein Leben. Endlich nahm der Junge sein Beschwörungsbuch, zerriß es und warf es ins Feuer, lief davon und entdeckte sich einem Freund, der offenbarte es seinem Lehrherrn, und dieser sandte nun nach dem Beichtvater des jungen Menschen. Er bekannte alles, offenbarte aber dabei einen krassen Unglauben und empfand einen beständigen Trieb, nach dem Keller zu gehen, daran er aber stets, weil man ihn bewachte, verhindert wurde. Nachderhand bekehrte er sich völlig und nahm das Abendmahl, sein Lehrherr aber schenkte ihm seine noch übrige Lehrzeit, sprach ihn frei, übergab ihn seinem herbeigerufenen Vater und war froh, ihn los zu sein, nachdem er drei ganzer Wochen lang Sorgen und Beschwerden genug mit ihm ausgestanden.

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