Ludwig Bechstein
Deutsches Sagenbuch
Ludwig Bechstein

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191. Die Rungholder auf Nordstrand

Husum gegenüber in der Nordsee liegt die Insel Nordstrand, darauf lag einst ein reicher Ort, Rungholt, dessen Bewohner bauten große feste Dämme, und darauf stehend sprachen sie zum Meere voll Übermutes: Trotz um, blanke Hans! – In ihrem Übermut haben sie einmal eine Sau im Wirtshaus betrunken gemacht, ihr eine Schlafmütze aufgesetzt und sie ins Bett gelegt, dann sind sie zum Pfarrer gelaufen und haben ihm gesagt, er müsse kommen und einem Todkranken das heilige Abendmahl reichen. Da er nun das Sakrament nicht also schändlich entweihen wollen, haben sie ihn bedräut und mißhandelt, und schmählichen Unfug fortgetrieben. Da erging in der Nacht an den Pfarrer ein Zeichen und eine Stimme: Gürte dein Gewand und ziehe deine Schuhe an und wandere. – Da wanderte der Pfarrer fort mit den Seinen, so eilend er konnte. Darauf erhob sich ein Wind, und es schwoll das Wasser, und wuchs und wuchs an den Dämmen hinan, die dort Deiche heißen, und ging über die Dämme, und stand über ihnen vier Ellen hoch, und den Flecken Rungholt auf Nordstrand und sieben andere Kirchspiele verschlang das Meer. Einst soll es wieder auferstehen. Bei heller See erblicken Schiffer zum öftern den Ort und das Land auf des Wassers Grunde, seine Häuser, seine Türme und Windmühlen, auch wollen manche die Glocken der versunkenen Kirchtürme haben erklingen hören.

Gleich den Rungholtern haben auch einstmals die bösen Bauern zu Lichtenau im großen Werder in Preußen (bei Danzig) getan, es ist ihnen solches aber übel genug bekommen.

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