Ludwig Bechstein
Deutsches Sagenbuch
Ludwig Bechstein

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434. Geheul und Geschrei

Zu Frankenhausen, der alten Salzstadt, deren Quellen die Franken behaupteten, als in den frühen Zeiten Sachsen, Franken und Thüringer in diesen Gegenden blutige Kämpfe miteinander hatten, und die von den Franken ihren Namen trägt, ist noch ein Rest der alten Schirmfeste gegen die Sachsen im Hausmannsturm, der Altenburg oder dem alten Frankenhause zu erschauen. Dort war auch ein Zisterziensernonnenkloster zu St. Georg, und in dessen Kirche stand ein Wunderbild der heiligen Jungfrau Maria. Selbiges Bild zeigte ein liebliches Engelantlitz und war sanft gerötet, holdselig zu erblicken in guter und glückseliger Zeit. So aber trübe Zeiten herannaheten, verblich des Bildes Farbe und lieblicher Schimmer, und also geschahe es auch im Jahre 1525, da der wilde Schwarmgeist die Bauern zu hellem Aufruhr nötigte, da sie Burgen und Klöster brachen, ausplünderten und einäscherten. In jener Zeit sind die Klöster Ilfeld, Walkenried, Volkenrode, Kelbra, Sittichenbach, Oldisleben und andere mit ihren herrlichen Kirchen ganz verwüstet worden, bis die Zuchtrute wie ein Wetter des Herrn auf die Raubrotten niederschlug. Das war die Zeit, wo Thomas Münzer den Agitator spielte, und das Volk aufwiegelte, und seine Regenbogenfahne wehen ließ, und deren etwa fehlendes Rot mit dem Blut der gemeuchelmordeten Abgesandten der Fürsten ersetzte. Dem Bauernheer waren aus Frankenhausen und allen Dörfern der Umgegend die Weiber und Kinder der Gideonsstreiter, die in ihrer Verblendung dem Münzer folgten, auch nachgefolgt, die bargen sich in einem Walde, von wo aus sie den Berg über der Stadt sehen konnten, auf dem das Bauernlager aufgeschlagen war. Da nun die Schlacht mit den Herren der gegen das Bauernheer herangezogenen verbündeten Fürsten, dem Kurfürsten Johann und Herzog Georg zu Sachsen, dem Herzog Heinrich zu Braunschweig, Landgraf Philipp zu Hessen, den Harz- und andern Grafen, nachdem die zu gütlichem Vergleich entsandten Botschafter ermordet worden waren, entbrannte, Thomas Münzers lügnerisches Maulwerk, womit er die armen Bauern betört und verrückt gemacht hatte, sich als ein klarer und barer Trug erwies und über siebentausendfünfhundert Bauern mit ihren blutigen Leibern die Walstatt deckten, der ganz in Büffelleder eingenähte Held aber, wie die meisten solcher Maulhelden, in der schimpflichsten Flucht vom Schlachtfelde wich und sich in oder unter ein Bette verkroch, da erscholl von jenem Walde her ein entsetzliches wehklagendes Geheul und Geschrei der unschuldigen Weiber und Kinder jener durch die Aufruhrgelüste des Münzer verführten Bürger und Bauern, die zusahen, wie ihre Väter, Söhne, Brüder, Bräutigame und Freunde ohne Gnade hingeschlachtet wurden. Darnach wurde jenem Wald der Name Geheul und Geschrei und jenem Berge der Name Schlachtberg auf alle Zeiten. Das geschah am Montage nach dem Sonntag, da man in den Kirchen Cantate sang. Die Bauern sangen auch vor der Schlacht, gar ein schönes Lied: Nun bitten wir den Heiligen Geist! – aber der Heilige Geist war ihrem Tun und Treiben so fern, wie fern der Himmel von der Hölle ist, und konnte ihre Bitten nicht erhören.

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