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Lange bevor der Erbauer des Jagdschlosses zu Hessenthal daselbst eine Kapelle baute, stand ein Kapellchen über dem Ort auf einem Berge. Hessenthal hat seinen Namen nicht von Hessen, es hieß ursprünglich Häslenthal von den vielen Haselnußbäumen (Häslen), die dort wachsen. Das bezeugt noch ein gar nicht alter Bildstock auf der Hohenwart, einem Waldberge über Aschaffenburg, über den auch der wilde Jäger zieht, und wo feurige Männer spuken. Da könnte einer auch schreien: Halbpart auf der Hohenwart – wie jener Wanderer im Valleidatale bei Saalfeld, und würd' ihm am Ende auch ein Hinterviertel von einem verruchten Wild zufliegen. Hans Spatz aber, der einstmals nachts darüberging, die wilde Jagd brausen hörte und feurige Männer sich miteinander schlagen sah, daß die Funken umherstoben, und sah Raben mit tollem Kreischen eine Schlacht aufführen, schrie nicht also, sondern gelobte zitternd und bebend einen Bildstock für die heile Haut, die er gar zu gerne heimtragen mochte. Und die lieben Gottesheiligen schützten ihn, daß er heil heimkam, und er ließ dankbar den Bildstock aufrichten und seinen Namen hineinmeißeln: Hans Hénrich Spatz von Heslendahl 1745.
Von Hessenthal führte früher die alte Straße nach Oberbessenbach durch tiefen öden Wald. Ein Postknecht ritt seine Pferde von Aschaffenburg nach der Station zurück, es war Nacht, und er schlief. Da standen plötzlich die Pferde, aus dem nahen Busche drang ein Ruf, und lichter Schimmer leuchtete dort, woher die wundersame Stimme drang. Der Postknecht stieg ab, ging mutig auf die Stelle zu und fand tief im Buschwerk vernachlässigt, moosüberwachsen und altergrau ein Muttergottesbild aus Holz. Treulich erhob er dasselbe, säuberte es, trug es heraus und stellte es auf einen Steinhaufen am Wege, denn es mitzunehmen, dazu war es zu schwer. Es dauerte nicht lange, so taten sich einige fromme Herren zusammen und erbauten dem Bilde eine kleine Kapelle, und das Bild tat Wunder, und die Hessenthaler gingen hinauf und beteten dort. Da nun die Echter in Hessenthal die Kapelle erbauten, zogen die Bewohner hinauf und trugen das Gnadenbild herab in die neue geweihte Kapelle. Allein das Herrenbild – so ward und wird es noch genannt – machte es wie jenes auf der Milseburg im Rhöngebirge und jenes am Räti und kehrte wieder an seinen Ort zurück. Dreimal holten die Hessenthaler das Bild in ihre neue, schöne Kapelle, und an jedem Morgen stand es wieder droben in dem alten einfachen Kapellchen. Da gelobten die Hessenthaler, wenn das Bild bei ihnen bleiben wollte, so wollten sie es alljährlich auf den Pfingstmontag in feierlicher Prozession hinauf auf den Berg tragen. Diesen Akkord hat hernach das Bild eingegangen, und geschieht noch also.
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