Ludwig Bechstein
Deutsches Sagenbuch
Ludwig Bechstein

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484. Die Reifsteigshalde

Über dem Marktflecken Ruhla liegt am Reifsteig eine große Waldwiese, die Reifsteigshalde. Diese kann man an gewissen Tagen nicht finden. So ging es dem alten Oberförster König in der Ruhl, der noch in aller Andenken lebt. Eines Tages im Spätherbst ging derselbe am Reifsteig hin, um ein feistes Stück Wild bei einer auf der Reifsteigshalde angelegten Salzlecke zu schießen. Im Walde war ein Schneisengang befindlich, und wenn man diesem folgte, konnte man nicht fehlen. Oben ging dann der Weg über eine Wiese hinweg, die man mußte rechts liegen lassen, dann wieder in das Holz hinein. Früh neun Uhr ging Oberförster König in Ruhl aus, ging anfangs in Gedanken, stand plötzlich mitten im Bergwald, glaubt zu weit links gegangen zu sein, geht zurück bis nahe an die Halde, sieht sie nicht, verirrt sich wieder zu weit rechts, geht noch mehr zurück, achtet auf die Schneis, kommt aber immer nicht zum Salz, und ob er gleich der kundigste Berggänger seines Wohnortes und diesen Weg mehr denn als fünfhundertmal gegangen, so ist er doch von früh neun Uhr bis nachmittags um drei Uhr im Walde umhergeirrt und diesen Tag doch nicht zum Salz gekommen. Am andern Tag hat er es, wie er oft selbst erzählt hat, ohne einen Schritt irre zu gehen gefunden.

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