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Es ist eine alte Sage, daß der heilige Sebaldus zu Ende des achten oder zu Anfang des neunten Jahrhunderts nach Christo nach Nürnberg gekommen. Dieser Heilige war eines Königs von Dänemark Sohn, hatte in Paris studiert und eines Grafen in Frankreich Tochter geheiratet. Er war aber gar fromm und gottesfürchtig, und seine Braut erhielt in ihm nicht einen Gemahl, sondern einen vollkommenen Behüter und Beschirmer ihrer Jungfräulichkeit, und nachdem er ihr guten Unterricht in der Keuschheit erteilt, verließ er sie und seines Vaters Palast heimlich und wurde ein Einsiedel, wälzte sich auf Dornen und Disteln und kreuzigte sein aufrührerisches Fleisch, daß sein Leib davon ganz armselig und mager wurde. Darauf pilgerte er samt seinem Schüler Dionysius barfuß gen Rom, traf auch auf seinem Wege die heiligen Männer Willibald und Wunibald und nahm sie in seine Gesellschaft und gab ihnen Speise, die er aus Engelhand empfing, hatte auch einen Legel, der immer wieder voll Weines wurde, wann die Gesellschaft ihn ausgetrunken, und wann etwan ein Glas zerbrach, so machte St. Sebald selbiges wieder ganz, und lehrte und predigte hin und her auf seinem Wege allem Volke die sanfte Lehre unsers Herrn und Heilandes. Da sich einstmals ein verdammter Ketzer fand, der dem Volke zuschrie, Sebalds Lehre sei falsch, so mußte sich auf der Stelle das Erdreich auftun und selben Ketzer verschlingen, doch nur bis an den Hals. Da nun der arme Ketzer so im Erdloch stak und nicht einmal zappeln konnte, so wünschte er wieder herauszukommen und bekehrte sich, da hob ihn der milde Heilige wieder heraus. Über die Donau schwamm St. Sebald auf dem groben Mantel, den er über seinem härenen Hemde trug und auf das Wasser breitete, stehenden Fußes, weil kein Nachen vorhanden war. Und da kam der Heilige in den Norgau, da hatte ein Bäuerlein seine Ochsen verloren und jammerte, denn es war Nacht, und es wußte nicht, wo es die Ochsen suchen sollte. Da schuf St. Sebald durch sein Gebet, daß des Bauern Finger leuchteten und großen Schein warfen, wie ein Kronleuchter, und da fand und fing er seine Ochsen wieder. Nun kam der heilige Mann gen Nürnberg und nahm seine Herberge bei einem Wagner. Selbem Wagner aber ging es wie jenem Müller, des Mühle die drei Gänge hatte, nach Wasser, Korn und Brot – er hatte nicht einmal Holz zum Einheizen, geschweige zum Wagenbauen. Da heizte der heilige Sebald mit Eiszapfen ein, die brannten, daß es knitterte und knatterte, und wärmte sich, und der Wagner und sein Weib lobten Gott für so billiges Brennmaterial. Eines Tages wünschte Sebaldus Fische zu speisen, es war aber durch die Herrschaft, die auf der Burg wohnte, bei Verlust des Augenlichts allen verboten, vor ihr Fische zu kaufen. Da nun Sebaldus' Wirt solches dennoch tat, so ward er ergriffen und geblendet. Dieses tat Sebalds leid, er tat sein Gebet zu Gott und gab dem Wirt sein Augenlicht wieder. Bei diesem guten Manne und dessen Weibe blieb auch Sebaldus bis zu seinem seligen Ende, vor welchem er noch verordnete, daß zwei Ochsen seinen auf einen Wagen gelegten Leichnam ohne Lenker dahin ziehen sollten, wo er bestattet sein wolle, und zogen die Ochsen den Wagen bis zu Sankt Peters Kapelle und keinen Schritt weiter trotz aller Bezwangnis und Geißelhiebe. Da ruhete und rastete Sankt Sebaldus gnädiglich, und ward über ihn ein hölzern Kapellchen erbaut, welches aber hernachmals der Blitz entzündete und einäscherte. Da setzten sie den heiligen Leichnam in das Schottenkloster St. Ägidien. Darin war ein vorwitziger junger Mönch, der zupfte den heiligen Leichnam am Bart und sprach spöttlich: Ei du alter Lügenvater! Wie viele Menschen hast du dein Lebtage betrogen?! – Solches Schmähwort verdroß den heiligen Leichnam sehr; er erhob sich und verehrte dem Mönch eine so schreckliche Ohrfeige, daß jenem davon alsbald ein Auge aus dem Kopfe sprang. Der Mönch schrie Zeter, alle Mönche liefen herbei und riefen St. Sebald um Vergebung an und um Wiederherstellung des Geschlagenen. Darob wurde der heilige Leichnam beweget, dem Mönch das geschlagene Auge wieder einzusetzen, die Schelle konnte er ihm aber nicht wieder abnehmen, und war ihm selbe auch gar gesund. Nach diesem Vorgang gefiel es Sebalds nicht mehr in St. Ägidien, und war ihm lieb, in sein eigen Münster und in einen silbernen Sarg zu kommen. Allda ruhend, war es Sebaldi Segen, der Nürnberg groß und reich und blühend machte als der Stadt sonderlicher Patron und Hauptherr, und fortwährend tat er hohe Wunder. Blinde machte er sehend, Pilgrime errettete er von Straßenräubern, Kranke machte er gesund, Tote lebendig. Einst sandte eine fromme Bäuerin in Nürnbergs Nähe St. Sebald einen großen Käs zum Opfer; der Nachbar aber, dem sie den Käse mitgab, dachte: der liebe Gottesheilige ißt doch keinen Käs, sondern im Paradiese das himmlische Manna, es tut's also auch ein kleiner, den großen willst du für dich behalten. Da machte St. Sebald den kleinen Käse zu Stein und auf dem Heimwege des Bauers auch den großen. – Da nun zu Nürnberg der unübertreffliche Rotgießermeister Peter Vischer lebte, so bekam derselbe den Auftrag mit seinen fünf verheirateten Söhnen Peter, Hermann, Hans, Paul und Jakob, die alle bei ihm im Hause wohnten und in seiner Gießhütte arbeiteten, St. Sebald ein neues schönes Grabmal zu fertigen, auf dem der Silbersarg mit den heiligen Gebeinen ruhen sollte, und fertigte dieses also herrlich und kunstvollendet schön, mit frommem Sinn und hohem Geist, daß es als Nürnbergs größte Zier dasteht. Und von den vielen Tausenden, die von Jahr zu Jahr dieses herrliche Kenotaph anstaunen, denkt kaum einer noch an den Heiligen, der darinnen ruhet, und an dessen Wunder, sondern nur an die Wunderwerke deutscher Kunst, die Nürnbergs unsterbliche Söhne, ein Peter Vischer, ein Albrecht Dürer, ein Adam Kraft, bewirkt und vollbracht durch den schaffenden wunderwirkenden Gottesgeist in der Menschenseele.
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